Eheverträge nur noch ein Auslaufmodell?

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Hartz IV hat viele Emotionen frei gesetzt - und nicht wenige Ängste. Auf viele Fragen gibt es derzeit noch keine korrekten Antworten, die Tücke steckt bekanntlich im Detail - und um die herauszufinden bedarf es der entsprechenden Durchführungsbestimmungen. Die aber liegen zum großen Teil noch nicht vor.
Aber eine Frage, die uns dieser Tage von Lesern gestellt wurde, wird sicher auch nicht in den Gesetzesinterpretationen beantwortet werden.

Worum geht es? Freie Gestaltung
ehelicher Verhältnisse
Hartz IV schreibt vor - wie schon zuvor bei Sozial- und Arbeitslosenhilfe in kleinerem Rahmen praktiziert -, dass Ehepartner, füreinander einzustehen haben. (Die neu erfundene sehr zweifelhafte soziale Gruppierung der »Bedarfsgemeinschaft« soll zunächst einmal außen vor bleiben.) Wie aber verhält es sich mit Eheleuten, die bei Eheschließung Gütertrennung vereinbart oder einen Ehevertrag geschlossen haben?
Nach dem Willen des Gesetzgebers steht es Eheleuten grundsätzlich frei, ihre ehelichen Verhältnisse im Rahmen eines Ehevertrages zu regeln. Damit wird es den Eheleuten ermöglicht, Regelungen zu finden, die auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Ein Bedürfnis hierfür ergibt sich insbesondere daraus, dass die gesetzlichen Regelungen auf das »Leitbild« einer Allein- oder Hauptverdienerehe zugeschnitten sind. Weichen die persönlichen Verhältnisse von diesem Leitbild ab oder bestehen sonstige Besonderheiten, wie z. B. im Falle einer zweiten Ehe, ist der Ehevertrag das richtige Instrument, individuelle Regelungen zu finden. Dabei ist zu beachten, dass Eheverträge nach der gesetzlichen Regelung grundsätzlich der notariellen Beurkundung bedürfen. Hierdurch wird eine umfassende Beratung der Beteiligten im Vorfeld des Vertragsabschlusses und eine den Wünschen der Beteiligten entsprechende juristisch exakte Formulierung der Verträge gewährleistet.
In der jüngeren Rechtsprechung - zuletzt in einem Urteil des OLG München - wurde die Gestaltungsfreiheit als Leitbild des Bürgerlichen Gesetzbuches für den Bereich der Eheverträge zwar mehr und mehr eingeschränkt. Und man konnte sich daher sogar die Frage stellen, ob es überhaupt noch sinnvoll ist, einen Ehevertrag abzuschließen.

Offiziell kein Grund zur Beunruhigung
In seinem aktuellen Urteil vom 11. Februar 2004 tritt der Bundesgerichtshof diesen Überlegungen grundsätzlich entgegen und stellt klar, dass der Grundsatz der Vertragsfreiheit auch für den Bereich der Eheverträge Geltung beansprucht. Dabei macht der Bundesgerichtshof deutlich, dass es den Ehegatten grundsätzlich freisteht, die gesetzlichen Regelungen über den Zugewinn, den Versorgungsausgleich und den nachehelichen Unterhalt ehevertraglich abzuändern oder auszuschließen. Eheverträge bewegen sich vor dem Hintergrund dieses Urteils grundsätzlich auf sicherem Rechtsboden - Grund zur allgemeinen Verunsicherung bestehe nicht.

Konkretes erst bei künftiger Rechtsprechung
Einschränkungen der ehevertraglichen Gestaltungsfreiheit bestehen nur in Ausnahmefällen. Dort, wo die vertraglich vereinbarten Regelungen den ehelichen Lebensverhältnissen in keiner Weise mehr gerecht werden und auf Grund ihrer groben Einseitigkeit dem belasteten Ehegatten nicht zumutbar sind, bestehen Grenzen für die Vertragsfreiheit. Damit sind solche Fälle gemeint, in denen ein Ehepartner gravierend benachteiligt wird. Dies ist nach dem BGH-Urteil nur dann gegeben, wenn durch einen Vertrag Regelungen des Kernbereichs des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts ganz oder zu erheblichen Teilen abbedungen werden, ohne dass der Nachteil durch anderweitige Vorteile gemildert oder durch die besonderen Verhältnisse der Ehegatten gerechtfertigt wird. Welche Fallbeispiele konkret gemeint sind, wird sich erst anhand künftiger Rechtsprechung auf der Basis dieses Urteils zeigen.
Fest steht jedoch: Sofern der Ehevertrag das Ziel verfolgt, eine vom Gesetz abweichende, aber den Lebensverhältnissen angepasste Regelung zu finden, ist ein solcher Vertrag rechtswirksam.
Nach Ansicht der Notarkammern bestehe vor dem Hintergrund dieser Entscheidung des BGB keine Veranlassung, den Abschluss eines Ehevertrages zu scheuen. Der notarielle Ehevertrag ist und bleibt das geeignete Instrument zur Schaffung individueller Lösungen, die Bestand haben.
Dazu wird empfohlen: Prüfen Sie gemeinsam mit dem Notar Ihres Vertrauens, ob die gesetzlichen Regelungen den individuellen Bedürfnissen Ihrer Ehe gerecht werden! Auch wenn Sie bereits einen Ehevertrag geschlossen haben, sollte das aktuelle Urteil des BGH Anlass für Sie sein, gemeinsam mit Ihrem Notar zu überprüfen, inwieweit dieser Ihren derzeitigen Lebensverhältnissen noch entspricht. Sollte sich hierbei ein Regelungsbedarf ergeben, hilft Ihnen der Notar, diesen im Rahmen eines Ehevertrages umzusetzen und durch juristisch exakte und auf Ihre Bedürfnisse abgestimmte Formulierungen sicherzustellen, dass es keine bösen Überraschungen gibt. Die hierzu erforderliche umfassende Beratung ist dabei - wie immer bei Ihrem Notar - inklusive.

Rentenrechtliche und fiskalische Benachteiligung
So weit die aktuelle Information der juristischen Experten. Wie aber ist dieser Sachverhalt nun mit dem Hartz-IV-Gesetz zu vereinbaren, das die bedingungslose Alimentierung des Ehepartners fordert?
Gleiches trifft für Lebenspartner zu, denen man zudem noch jene steuer- und rentenrechtlichen Vergünstigungen verweigert, die Ehepaaren per Gesetz zugebilligt werden. So haben zum Beispiel selbst eingetragene Lebenspartner keinen Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente - wie jüngst das Bundessozialgericht in Kassel kund tat. In ihrem Unteil vom Montag vergangener Woche stellen die obersten deutschen Sozialrichter fest: Das Hinterbliebenenrecht könne nicht auf eingetragene Lebenspartnerschaften angewandt werden, denn nach dem Gesetz sei die »Rente wegen Todes« klar auf Ehegatten, Waisen und Halbwaisen beschränkt. Eine Lebenspartnerschaft richte sich »an Personen, die miteinander keine Ehe eingehen können«. Daher könne ein Lebenspartner kein Ehepartner sein, für eine entsprechende Anwendung lasse das Gesetz keinen Raum, begründeten die Kasseler Richter ihre Entscheidung. (Aktenzeichen: B 4 R A 29/03 R).

Verfassungsrechtliche Klärung unerlässlich
Geklagt hatte ein heute 63-jähriger Mann, der im August 2001 eine Lebenspartnerschaft mit seinem 49 Jahre alten Freund hatte eintragen lassen. Er hatte von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) die Zusage verlangt, dass im Falle seines Todes sein Partner eine Hinterbliebenenrente erhalten werde. Denn schließlich bestehe auch in einer Lebenspartnerschaft eine eheähnliche gesetzliche Pflicht zur gegenseitigen Fürsorge und Unterstützung. Als die BfA ablehnte, zog der Mann vor Gericht - und blieb in allen Instanzen ohne Erfolg. Jedenfalls bisher.
Damit aber sind die Widersprüche keineswegs beseitigt, verfassungsrechtliche Bedenken sind nicht von der Hand zu weisen - und werden derzeit schon von Experten geprüft. Bleibt zu hoffen, dass sich genügend engagierte Leute mit Gerechtigkeitssinn finden, die über das nötige Standvermögen verfügen, den Gang durch die Instanzen bis zum Bundesverfassungsgericht durchzustehen.

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