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- Grundstücks-Erbteil
Verpachtete Ländereien - wie wird der Pflichtteil berechnet?
Hildegard J., 13051 Berlin
Nach dem ZGB der DDR (§396 ff.) spielte das Pflichtteilsrecht eine relativ geringe Rolle, weil nur der Ehegatte einen unbedingten Pflichtteilsanspruch hatte. Kinder, Enkel und Eltern des Erblassers waren nur dann pflichtteilsberechtigt, wenn sie zum Zeitpunkt des Erbfalls gegenüber dem Erblasser unterhaltsberechtigt waren (§ 396 Abs. 1 ZGB). Ehemalige DDR-Bürger sind deshalb immer noch überrascht, wenn sie mit Pflichtteilsansprüchen oder sogar Pflichtteilsergänzungsansprüchen von Kindern aus früheren Verbindungen ihres verstorbenen Partners, mit denen oft seit Jahrzehnten keine Verbindung bestanden hat, konfrontiert werden. Es gibt gegenwärtig Bestrebungen, die Pflichtteilsansprüche in Richtung dessen, was in der DDR geregelt war, zu reduzieren.
Aktuell spielen Pflichtteilsansprüche aber eine erhebliche Rolle. Das Pflichtteilsrecht soll einen Ausgleich schaffen zwischen der Testierfreiheit des Erblassers und der Familienerbfolge, indem Abkömmlingen des Erblassers sowie den Eltern und dem Ehegatten des Erblassers, die enterbt sind, jedenfalls ein Pflichtteil in Höhe der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils zuerkannt wird (§ 2303 BGB).
Der Pflichtteilsanspruch ist ein Geldanspruch. Seine Höhe wird ermittelt, indem der Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls mit der halben fiktiven gesetzlichen Erbquote des Pflichtteilsberechtigten multipliziert wird. Wenn beispielsweise einem Kind auf Grund der gesetzlichen Erbfolge eine Erbquote von einem Viertel zustünde, läge also die Pflichtteilsquote bei einem Achtel. Damit wäre der Nachlasswert von z.B. 40000 Euro zu multiplizieren, so dass der Pflichtteil 5000 Euro betragen würde. Der Wert des Nachlasses ergibt sich aus der Differenz zwischen den zum Nachlass gehörenden Vermögensgegenständen und den Verbindlichkeiten des Erblassers, sowie den Erbverwaltungsschulden, wie Beerdigungskosten, Kosten der Feststellung und Sicherung des Nachlasses.
Wie der Wert des Nachlasses ermittelt wird, ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. In der Regel wird bei Immobilien der Verkehrswert zu Grunde gelegt. Die Realisierung des Pflichtteilsanspruchs hängt in keiner Weise davon ab, ob die zum Nachlass gehörenden Vermögensgegenstände verpachtet sind. Der Wert landwirtschaftlicher Flächen wird hauptsächlich auf Grund der Bodengüte, der Bodenlage und der wirtschaftlichen Ertragsbedingungen bestimmt. Bei dem Wert forstwirtschaftlicher Flächen spielt natürlich neben dem Bodenwert auch der Holzbestand eine Rolle. Die Höhe der Jahrespacht kann allenfalls bei der Bestimmung des Verkehrswertes mit herangezogen werden. Die nach dem Erbfall erzielte Pacht geht aber nicht in den für die Pflichtteilsberechnung maßgebenden Nachlasswert ein.
Der Pflichtteilsanspruch kann also bereits vor Auslaufen von Pachtverträgen über zum Nachlass gehörende Grundstücke realisiert werden. Wenn der Erbe selbst pflichtteilsberechtigt ist, wie der überlebende Ehepartner, kann er eine Stundung des Pflichtteilsanspruchs verlangen, wenn die sofortige Wirkung des gesamten Anspruchs ihn wegen der Art der Nachlassgegenstände ungewöhnlich hart treffen würde. Das gilt insbesondere, wenn er zur Aufgabe oder zur Veräußerung eines Wirtschaftsgutes gezwungen wäre, das für den Erben und seine Familie die wirtschaftliche Lebensgrundlage bildet. Das muss jedoch dem Pflichtteilsberechtigten bei Abwägung der Interessen aller zugemutet werden können (§ 2331a ABS. 1 BGB).
Die Voraussetzungen sind also recht eng. Außerdem ist die gestundete Forderung zu verzinsen und eventuell auch Sicherheit dafür zu leisten. Darüber entscheidet das Nachlassgericht (§ 2331a Abs. 2 in Verbindung mit § 1382 Abs. 2-6 BGB).
Prof. Dr. DIETRICH MASKOW,
Rechtsanwalt
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