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  • Hanswurst in Österreich - Eine Geschichte der Komik

Leck mir den Arsch fein sauber...

  • FRANZ SCHANDL, Wien
  • Lesedauer: 4 Min.

Horvath, Ludwig Anzengruber bis herauf zu Thomas Bernhard und Werner Schwab, Peter Turrini und Elfriede Jelinek.

Die Skandalisierung von Theaterstücken hat in Wien Tradition. Es ist wie ein Ritual. Konservative Kritiker geifern, die Volksseele wird zum Kochen gebracht, die Angegriffenen werden regelmäßig als Nestbeschmutzer bezichtigt. Daß der Skandal von gestern oft der Klassiker von morgen wird, sollte da nicht trösten.

Scheit vergißt freilich auch nicht zu erwähnen, daß die heimischen Kommunisten mit ihrem affirmativen Bezug zur österreichischen Nation oftmals mit in den Kanon der Verunglimpfer einfielen. Hugo Huppert vermeinte etwa anläßlich Ödön von Horväths Uraufführung der „Geschichten aus dem Wienerwald“ (1948), es sei eine „Unverfrorenheit, dieses peinliche Panoptikum ein Volksstück zu nennen. (...)

Die Aufführung solcher Erzeugnisse bedeutet eine schlechte Theaterpflege und eine noch üblere Literaturförderung“

Diese unkritische und taktische Sicht auf Volk und Volksstück führte wohl auch dazu, daß das ehemalige, den Kommunisten nahestehende Theater in der „Scala“ lieber Rosegger, Wildgans und Thoma inszenierte als Kraus, Horvath oder Soyfer.

Scheit entmystifiziert die Figur des (gerade auch im gegenwärtigen Wahlkampf wieder vielbeschworenen) „kleinen Mannes“, nimmt ihr mit Nestroy und Kraus, Horvath und Bernhard den Nimbus des stets zu Verehrenden. „Das Furchtbarste, was es geben kann, ist das Volk“, läßt Thomas Bernhard sagen. Deutschland bestehe, „wie alle übrigen europäischen Staaten, zu neunzig Prozent aus vollendeten oder verhinderten Kleinbürgern, auf alle Fälle

aus Kleinbürgern , sagt Horvath. Man sollte das nicht bloß als Volksbeschimpfung abtun, sondern in seiner Realität aufarbeiten. Gar üble Kleinbürgergestalten waren es, die in diversen Stücken als Vorlage gebraucht wurden, ohne mißbraucht zu werden.

Unser Autor wendet sich aber auch gegen die postmodernen Posaunisten (z.B. Umberto Eco), die Komik an sich als subversives Element mißverstehen: „Der Spaß allein umreißt noch keinen gesellschaftlichen Standpunkt, er kennt im Grunde nur einen einzigen Anspruch, die biologischen Bedürfnisse - Nahrung, Sexualität und Verdauung - zu befriedigen, und das ununterbrochen“

Als besonders fruchtbar erscheinen die behaupteten Identitäten von Kapital und Phallus bzw von Potenz und Tauschwert, auch wenn sie manchmal etwas vorschnell eingeführt werden, durch Ab-

straktion die Konkretion zu kurz kommt. Die Argumentation Scheits ist nämlich keine vorausgesetzte Selbstverständlichkeit, bedürfte so einer geduldigeren Zerlegung, Aufarbeitung und Ableitung, als der Autor sie in diesem Buch vorgenommen hat.

Diesbezüglich schreibt er etwa über Elfriede Jelinek. „In der Komödie der neunziger Jahre hingegen ist die Sexualität mit den Waren förmlich verwachsen, Jelineks Figuren können sie nicht abstreifen, im Gegenteil: Ihre Sprache betreibt ununterbrochen Mimikry, die Warenwelt ist ihre einzige Ausdruckswelt, und das Tierische figuriert selbst als ein geschwätziges Angebot aus dem Porno-Sortiment: überdimensionale Kuscheltiere der Geilheit“

Erst Elfriede Jelinek mache in ihrem Theaterstück „Raststätte“ Schluß mit solcher phallischen Komödiantik. „Der Fetisch wird demon-

tiert. Wahrscheinlich hat Scheit auch hier recht, möglicherweise ist es jedoch gerade das, was an dem Stück so verstört, rechte wie linke Betrachter dazu verführt, nicht viel mehr als grausliche Versatzstücke menschlicher Sexualität ausnehmen zu wollen. Der Fetisch wird nämlich rein destruktiv negiert, gar wenig in seiner historischen Notwendigkeit reflektiert. In der kaum synthetischen Betrachtungsweise der Jelinek werden bestimmte Momente menschlicher Sexualität selbst eindimensional reduziert. Dies macht die Stücke Jelineks schwer aushaltbar Vielleicht ist aber die versuchte Demontage eines so festverankerten Sexualfetischs überhaupt schwer aushaltbar.

Das ist auch der Grund, warum Werner Schwabs Fäkaldramen heute anschlußfähiger sind als die Stücke Jelineks oder Turrinis. Jene treffen eben eine spaßig wendbare wie gewendete innere Illusionslosigkeit des Publikums besser, verscheuchen Gesellschaftskritik gerade durch ihre akzentlose Absolutsetzung. Dort, wo nämlich alles Scheiße ist, kann in dieser Undifferenziertheit gar nichts mehr Scheiße sein. Scheiße, als Ab-

sonderung zum Allgemeinen erhoben, hebt sich selbst auf. Je mehr Schwab in der Scheiße waten läßt, desto weniger fällt sie auf, desto mehr verflüchtigt sie sich. Das mag nicht Absicht gewesen sein, aber so entspricht es breiten Stimmungslagen der Theaterbesucher, während man das politische Engagement Turrinis oder Jelineks nicht nur als antiquiert wahrnimmt, sondern es ihnen schon direkt übelnimmt.

Der vorliegende Band ist jedenfalls eine analytische Aufarbeitung des österreichischen Theaters unter den Aspekten von Komik und Kapital, Kot und Kopulation. Die Sprache ist nicht überladen und kompliziert, mit Zitaten und Fußnoten wird keineswegs übertrieben, das Buch ist detailliert, ohne sich im Detail zu verlieren. Es ist allgemein verständlich und genügt doch den wissenschaftlichen Ansprüchen, kurzum: ein kleines, aber feines Stück Literaturgeschichte.

Gerhard Scheit, Hanswurst und der Staat. Eine kleine Geschichte der Komik: Von Mozart bis Thomas Bernhard. Deuticke Verlag Wien. 208 S., geb., 34 DM.

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