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Prozeß im Müllskandal

Mecklenburg-Vorpommern verlangt von Kieler FDP-Politiker 1,4 Millionen Mark zurück Von Claudia Schreyer, Schwerin

  • Lesedauer: 3 Min.

Im Zusammenhang mit der Verpachtung der Mülldeponie Ihlenberg/Schönberg in Nordwestmecklenburg hat gestern vor dem Landgericht Kiel der Prozeß gegen den Rechtsanwalt und FDP-Politiker Wolfgang Kubicki begonnen. 1,4 Millionen Mark Schadenersatz von Kubicki zu verlangen, sei »nicht gerechtfertigt«, erklärte die Kammer.

Die Klage des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern gegen Kubicki hat nach erster Einschätzung des Gerichts wenig Chancen. Kubicki hatte die Regierung 1992 beim Abschluß der Verträge mit der privaten Betreiberin Deponie Management-Gesellschaft juristisch beraten und dafür ein Honorar in Höhe von 860 000 Mark kassiert. Hinter der Gesellschaft steht zu 50 Prozent der Müllmagnat und Kubicki-Spezi Adolf Hilmer, 50 Prozent hält der Veba-Konzern. Nicht nur das Honorar will Schwerin zurück, darüber hinaus soll der Kieler Jurist 600 000 Mark Schadensersatz bezahlen. Denn durch die Verträge, die letztlich unter Führung des Umweltministeriums, der Treuhand sowie Vertretern der Hilmer-Gruppe zustande kamen, ging Mecklenburg-Vorpommern eine Summe in dreistelliger Millionenhöhe verloren. Eine extra dafür gegründete landeseigene »Gesellschaft für Abfallwirtschaft und Altlasten« hatte Europas größte Sondermülldeponie für zehn Millionen Mark von der Treuhand erworben und setzte auf private Betreiber, weil diese »effizienter und leistungsfähiger sind«, wie die damalige Umweltministerin Petra Uhlmann

(CDU) sagte. ,........ , ,

Doch schon 1993 stellte der Landes.-; rechnungshof fest,, daß die Verträge zwischen dem Land und privaten Betreibern von erheblichem Nachteil für Mecklenburg-Vorpommern sind. Bis zur voraussichtlichen Schließung der Deponie im Jahr 2005 werde dem Bundesland durch das vertragsimmanente »Wertabschöpfungssystem« ein Schaden von rund 100 Millionen Mark entstehen. Die landeseigene Abfallwirtschaftsgesellschaft hat das Altlastenrisiko in vollem Umfang übernommen, ohne die Verkäuferin Treuhand und die Deponie Management-Gesellschaft in diese Haftung einzubeziehen. Die Gewinne dürften kaum ausreichen, das Altlastenrisiko abzudecken. Nach Veröffentlichung des Rechnungshofberichts mußten die politisch Verantwortli-

chen Uhlmann und ihr Staatssekretär Peter-Uwe Conrad (CDU) gehen.

Seit Anfang dieses Jahres sind die nachverhandelten Verträge für die Deponie Ihlenberg gültig, die der Landtag unter Stimmenthaltung der SPD und gegen die Stimmen der PDS genehmigte. Nach Ansicht von SPD und PDS trägt das Land immer noch ein zu hohes Risiko, und satte Gewinne gingen vorwiegend an die privaten Betreiber. Ein Ausstieg aus den bestehenden Verträgen, so hatte Ministerpräsident Berndt Seite (CDU) argumentiert, wäre mit langwierigen und teuren Prozessen verbunden gewesen.

Seit Beginn der Legislaturperiode arbeitet ein zweiter Parlamentarischer Untersuchungsausschuß in Sachen Ihlenberg. Offen ist nach wie vor die Frage, ob die Bevorzugung der Hilmer-Gruppe vom Umweltministerium geduldet oder gar stabsmäßig organisiert worden war. Die Untersuchungsausschuß-Recherchen können auch Aufklärung über die Rolle Conrads bringen, gegen den die Staatsanwaltschaft ermittelt und dem ebenfalls eine Schadensersatzklage ins Haus steht. Laut Gesetz ist Ex-Ministerin Uhlmann dagegen nicht verantwortlich für Fehler, die in ihrem Haus begangen wurden, und kann deshalb nicht belangt werden.

In Kiel sagte gestern dpa zufolge der Vorsitzende der Sechsten Zivilkammer, es ergebe sich »keine Interessenkollision» zwischen der damaligen Beratertätigkeit Kubickis für die Schweriner Landesregierung und einer stillen Beteiligung seiner Kanzlei an einem Subunternehmen des Lübecker Müllunternehmers Adolf Hilmer.

Kläger-Vertreter Jürgen Steinbrink erklärte dagegen, das Land hätte den Vertrag mit Kubicki niemals geschlossen, wenn die'„Verquickung“ mit'Hilrner bekannt gewesen, wäre,. Der FDP-Politiker, habe die Verbindung »hinterlistig« verschwiegen. Das Land sei durch die Kontrakte gezwungen worden, frühere DDR-Preise zu akzeptieren, während die Betreiber im Westen - etwa von der Stadt Hamburg - die hohen Müllgebühren auf Westniveau kassierten und Gewinne erwirtschafteten.

Steinbrink warf Kubicki vor, von Hilmer »bestochen« worden zu sein. Kubickis Anwalt, der frühere Kieler CDU-Landtagsabgeordnete Trutz Graf Kerssenbrock, wies den Vorwurf einer Interessenverquickung als »empörend« und »ehrverletzend« zurück. Er stellte den Antrag, die Klage des Landes Mecklenburg-Vorpommern zurückzuweisen.

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