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Immer mehr ohne Girokonto

Arme sind in Banken unerwünscht

  • Lesedauer: 3 Min.

Von Uwe Kerkow

Wenn Geld den Besitzer wechselt, ist der bargeldlose Zahlungsverkehr schon lange die Regel. Selbst im Supermarkt oder in der Tankstelle um die Ecke zückt der Kunde Schecks und Kreditkarten. Doch eine immer grö-ßer werdende Zahl von Menschen wird vom Gebrauch dieser Zahlungsmittel ausgeschlossen. Die Schuldnerberatungen beobachten viele Fälle, in denen die Kreditinstitute Girokonten von Kunden mit Schuldenproblemen rigoros kündigen. Da die SCHUFA (Zentrale Auskunftsdatei zur Kreditwürdigkeit von Bankkunden) den Betroffenen die Möglichkeit versperrt, ein neues Konto zu eröffnen, erfahren diese eine neuartige wirtschaftliche und soziale Ausgrenzung. Geschäftsbanken, Sparkassen, Genossenschaftsbanken weigern sich, diese Kunden zu betreuen.

Wer so vom bargeldlosen Zahlungsverkehr ausgeschlossen wird, kann alltägliche Überweisungen für Miete, Telefon, Versicherungsbeiträge oder Strom-, Wasser- und Heizungsrechnungen nur noch als Baranweisungen bei der Post unter erheblichem Zeit- und Geldaufwand erledigen. Noch schwerer wiegt die Ausgrenzung gegenüber dem Arbeitgeber. Lohn und Gehalt werden heutzutage fast ausnahmslos unbar überwiesen, ein Umstand, der besonders zur Brandmarkung von Arbeitslosen führt, die kein Girokonto haben. Ein Zusammenschluß von Hilfsorganisationen fordert deshalb von der Bundesregierung schon seit zwei Jahren, die Kreditinstitute auf die Führung

von Girokonten auf Guthabenbasis zu verpflichten. An der Initiative »Recht auf ein Girokonto« beteiligen sich neben der federführenden Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung u.a. die Arbeiterwohlfahrt, die Caritas, die Diakonie, der Paritätische Wohlfahrtsverband und auch der DGB.

Den Arbeits- und Sozialämtern bereitet das Verhalten der Kreditinstitute ebenfalls Probleme. Nach einer Umfrage der Schuldnerberatungen bei den Arbeitsämtern zahlen diese zwischen 2 und 3,5 Prozent der Arbeitslosenuntertützung postbar aus. Bundesweit verursacht diese antiquierte Zahlweise nach Schätzungen der Bundesregierung zusätzliche Verwaltungskosten in Höhe von 16 Millionen Mark. Eine Kleine Anfrage der SPD zum Thema »Arbeitslosigkeit und Überschuldung« vom Juli diesen Jahres fragte danach, wie die Bundesregierung diese Kosten zu senken gedenke. Demnach plant die Kohl-Regierung nicht, den Banken die Führung von Girokonten im Guthabenbereich vorzuschreiben fordert, wie es die Initiative »Recht auf ein Girokonto« fordert. Statt dessen wird erwogen, den Paragraph 338 des Arbeitsförderungsgesetzes dahingehend zu ändern, daß die Kosten für die Baranweisungen auf die Arbeitslosen abgewälzt werden sollen. Im Klartext: Die 16 Millionen Mark sollen ihnen von ihrer Unterstützung abgezogen haben.

Diese Erfahrungen zeigen, daß die bisherige Selbstverpflichtung der Geldinstitute, wie sie von der Bundesregierung favorisiert wird, nicht ausreicht. Es liegt jedoch der Verdacht nahe, daß die Banken diesen Kundenkreis am liebsten ganz aus den Schalterhallen verbannen würden. Das Gesicht der Armut paßt nicht in die Tempel des Geldes. Genährt wird diese Befürchtung durch die Tatsache, daß einige Kommunen mittlerweile dazu übergegangen sind, spezielle Bankautomaten für Sozialhilfeempfänger aufzustellen. Doch auch diese Lösung kostet die Steuerzahler viel Geld.

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