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»Sonst wäre Kreuzberg ein Slum«

Bestandsaufnahme des »Kreuzberger Modells« Von Joachim Wossidlo

  • Lesedauer: 2 Min.

Ist das »Kreuzberger Modell« der behutsamen Stadtentwicklung noch funktionsfähig? Der Kreuzberger Bürgermeister Franz Schulz und der »Stadtteilausschuß 36« luden zu einer Diskussion ein.

Was aber ist »behutsame Stadterneuerung«. Seinen Ursprung hat das Konzept in der Krise von 1979/80, als der damalige Senat durch Hausbesetzungen und Straßenschlachten gezwungen wurde, seine Sanierungspolitik zu ändern. Millionenspekulationen einer mafiosen Verfilzung von Parteien und Bauwirtschaft bestimmten neben Abriß-

birnen die Wohnungsbaupolitik. Zusätzlich sah der Senat sich einem aus der damaligen Sicht unlösbaren Problem gegenüber- Fast der ganze Bezirk Kreuzberg war sanierungsbedürftig. Kreuzberg 36, an drei Seiten von der Mauer umgeben, war ein Gebiet am Rande der Stadt mit schlechter Bausubstanz. Die Mieten waren dementsprechend niedrig, Investitionen erschienen wenig lohnenswert. So wurde der Bezirk zum Experimentierfeld, zu einer »Käseglocke innerhalb der Käseglocke West-Berlin«. Aus dem politischen Klima heraus entstanden Mietergemeinschaften, Bürgervertretungen, Initiativgruppen und die Idee der »behutsamen Sanierung«. 15 Jahre später- Der Bezirk wurde

weitgehend saniert. Mehr noch, er ist für viele zum Modell geworden. Die Berliner Mietverbände entstanden in diesem Zusammenhang, und die hier erprobten Modelle von Sozialplan und Betroffenenbeteiligung sind in anderen Sanierungsgebieten zum Standard geworden. Trotzdem ist Kreuzberg 36 ein Problembezirk geblieben: Da ist die Rauschgiftszene am Kottbusser Tor, die Zahl der gemeldeten Arbeitslosen liegt über 25 % und ein gro-ßer Teil der Bewohner ist, gemessen an anderen Bezirken Westberlins, arm. Daß die Armut im Bezirk zugenommen hat, liegt nach Meinung der meisten Teilnehmer aber nicht am Kreuzberger Modell, sondern an der allgemeinen Entwicklung. Denn schließlich kann Renovierung keine sozialen Probleme lösen, auch nicht mit Bürgerbeteiligung und Sozialplan.

Aber auch die Erfolge der »behutsamen Sanierung« sind nicht zu übersehen: Nirgend woanders gibt es derartig viele Kinder- und Jugendprojekte, und die berühmte »Kreuzberger Mischung« aus Wohnen und Arbeiten hat zahlreiche Arbeitsplätze erhalten. »Ohne die behutsame Stadterneuerung wäre Kreuzberg heute ein Slum«, zog Bürgermeister Franz Schulz seine Bilanz.

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