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Millionär«

Der Katarina-Witt-Manager und Frankfurter SPD-Linke Dr. Diether Dehm über Brecht, Stasi-Banalitäten und Biermann

  • Lesedauer: 8 Min.

Zuletzt ging alles schnell. Die Antragsteller nahmen ihre Vorwürfe zurück und die zuständige SPD-Schiedskommission mußte das Parteiordnungsverfahren einstellen. »Nach quälenden Monaten von Vorverurteilungen, zerstörerischen Angriffen auf seine Familie und Person« sei Dr. Diether Dehm »rehabilitiert«, stellt sein Rechtsbeistand, der frühere hessische Innenminister Horst Winterstein, Anfang Oktober fest. Vorausgegangen war eine wochenlange Hatz. Gefunden wurde die Stasi-Akte »Willy« - zufällig? - von Wissenschaftlern des »Forschungsverbunds SED-Staat« an der FU Berlin. Aus einer WDR-Vorabmeldung vom 25. April 1996 ging hervor, daß der SPD-Politiker und Musik-Manager von 1971 bis 1978 für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) als IM gearbeitet habe. Gegenüber ND äußert sich Dehm (46) erstmals ausführlich zu dem Geschehen vor einem Vierteljahrhundert, aktuellen Vorwürfen und seinem Verhältnis zu Biermann, der im November 1976 ausgebürgert wurde.

Kommunismus hat es bisher allenfalls historische Sekunden gegeben - die Zeit jedes Aufbruchs. Die PDS wäre gut beraten, wenn sie sich mal der Rechtsabweichler der Kommunisten annimmt. Paul Levy war so ein rechter Kommunist

- und ein linker Sozialdemokrat.

Wir müssen den Marxismus nach rechts wenden, damit wir die Sozialdemokratie und die gesamte reale Arbeiterbewegung nach links kriegen. Trotzdem würde ich die Kommunistische Plattform dabei nicht ausgrenzen. Diesen Fehler haben wir Sozialdemokraten gemacht und die Grünen auch. Andre Brie spinnt

- er verhält sich wie ein rechter Sozialdemokrat. Ein Riesentalent wie Gregor Gysi verfiel kurzzeitig darauf sagen, entweder Wagenknecht in den Vorstand oder ich. Ich finde diese KPF-Nostalgietruppe ökonomisch zum Gähnen langweilig - ausgrenzen würde ich sie nicht.

? Sie überraschen als PDS-Kenner.

Substantiell höre ich wenig aus der PDS. »Gemischte Wirtschaft« - ist das eine Botschaft für Mittelständler? Da muß Butter bei die Fische. Z.B. welche Förderprogramme lege ich auf? Die PDS könnte die erste deutsche sozialistische Partei sein, die mittelstandsfreundlich ist.

? Was wollten Sie denn damals in der DDR - die Leute beglücken?

Ich bin ständig begierig nach politischen Gesprächen. Ich kann nur Lieder schreiben oder Stücke, indem ich mich ständig dem Streit, der Korrektur, dem Widerspruch aussetze.

'“?' Wäfüm“und wann brachen die Kontakte zu Ihren »Freunden« ab?

Als Biermann ausgebürgert wurde, bin ich sein Manager geworden, angeregt von Günter Wallraff. Biermann und ich haben uns getroffen, und schon im Dezember '76 hatte ich mit ihm fertige Vereinbarungen für die Zukunft. Die Stasi-Akte aber vermerkt erst 1977 meinen Kontakt zu Biermann. Deshalb ist es ja besonders grotesk, daß er behauptet, ich hätte mich im Auftrag der Stasi an ihn 'rangemacht. Diesen Punkt hätten meine »Freunde« sicher beifallheischend aktenkundig nach oben vermeldet.

Zuletzt hatte ich noch ein Gespräch mit Kurt Hager. Ich sagte ihm, daß sowohl Günter Wallraff als auch andere Persönlichkeiten nicht mehr für gemeinsame Aktionen mit Kommunisten eintreten werden, wenn es bei der Biermann-Ausbürgerung bleibt. Hager antwortete, die DDR ließe sich nicht erpressen.

? Haben Sie ein Erklärungsmuster für das Verhalten von Wolf Biermann?

Woher weiß er, daß Stolpe oder Gysi IM waren? Woher weiß er, daß der ORB stasi-verseucht ist, daß Florian Havemann im Stasi-Auftrag gegen seinen Vater im »Spiegel« geschrieben habe?

Biermann macht eine Platte. Von dieser Platte wird im Radio oder Fernsehen so gut wie nichts gespielt. Er macht seit Jahren Platten, die nirgendwo in den Medien stattfinden. Nur wenn er sich - wieder letztmalig - zum Thema Stasi äußert, dann kommt er in die Öffentlichkeit. Ich versuche für seinen Haß im neuen »Freitag« eine Erklärung. Es ist sicher auch Publicity-Sucht. Aber eben: nicht nur.

Er hat die DDR über alle Maßen haßgeliebt. Mit ihr war er verbandelt - über Margot Honecker und andere, die nicht nur ihre Hand oft schützend über ihn hielten. Wie heißt in seinem schönen Liebeslied? »Aus Liebe wird, ach das tut weh, so schnell ein blindes Hassen.«

Biermann wird vielleicht mal wieder eine wunderbare Platte machen. Aber die jüngste Platte kann man guten Gewissens allen empfehlen zu kaufen, die ihn nicht mögen - sie werden sich nicht ärgern.

? Er beschwört, daß Sie ihm Ihre Stasi-Zuarbeit gebeichtet haben.

Wollen Sie die ganze Geschichte hören? Acht, neun Jahre nach meinem Bruch mit der DDR kam Gert Gampe, Chef des Festivals des Politischen Liedes, zu mir nach Frankfurt. Und ich habe dieses Bryan-Adams-Konzert in der DDR gemacht, moderiert von Katarina Witt und mir, und war zusammen mit Niedecken von »BAP«, Kunze, Lage in Buchenwald. Dort habe ich eine Rede - Thema Bier-

mann-Ausbürgerung - gehalten. Dann gab's ein Zusammentreffen mit Egon Krenz. Heinz-Rudolf Kunze, Klaus Lage und Katja Ebstein waren dabei - ich habe wieder nur über Biermann geredet.

Klaus Lage ging 1987 in die DDR und sang auch Biermann-Songs. Das ZDF wollte das aufzeichnen. Kurz vorher bin ich erpreßt worden. Mit zart-drohendem Hinweis auf meine einstige »Freundschaft zur DDR« und darauf, was ich früher so alles erzählt hätte, sollte ich Klaus Lage bewegen, an diesem Abend in der Seelenbinder-Halle auf Biermann-Söngs zu verzichten. Gampe riet mir, mich nicht erpressen zu lassen. Lage sang, es war ein Skandal. Das DDR-Fernsehen strich die Lage-Sendung.

Danach habe ich Gampe gefragt: »Gert, was können die gemeint haben?« Wir haben die ganze Nacht darüber geredet, er - ein sehr anständiger Mensch - hat versprochen, sich zu erkundigen.

Schließlich kam der 27 Mai 1988 in Berlin. Willy Brandt und ich haben im Reichstag mein Lied - »Das weiche Wasser« -vorgestellt. Götz George, Senta Berger und ich hatten den Text gemacht, zum 125jährigen Geburtstag der SPD Auch Gampe kam in den Reichstag. Er hatte etwas herausbekommen. Einer meiner vielen damaligen DDR-Bekannten war nicht der, für den er sich ausgegeben hatte. Offensichtlich Stasi. Ich war ziemlich fertig, bin sofort zu Biermann geflogen und habe ihm erzählt, was mir widerfahren war. Wir haben viel hin und her erwogen. Beim Hinausgehen hat er mich umarmt. Später hat er mir einen Brief geschrieben, in dem er mir mitteilte, daß er selbst in jungen Jahren unter Druck eine Stasi-Schweigeverpflichtung unterschrieben hat. Jeden anderen als ihn selbst würde das stigmatisieren...

? Wie ist das Ganze nun von Ihnen verarbeitet worden, hat sich in Ihrer Umgebung Spreu von Weizen geschieden?

Man erlebt nachhaltige Freundschaften' und unverhoffte Feindschaften. Für meine Kinder war der Medienrummel die Hölle. Meine Familie ist mittlerweile von Frankfurt weggezogen, so schlimm war es. Über unserem Haus kreiste ein Illustrierten-Hubschrauber, es wurden Bilder mit Teleskop geschossen.

Erpressungen, anonyme Anrufe, Bedrohungen, selbst für die Kids. Aber die meisten Künstlerfreunde und Kollegen waren großartig und solidarisch“. !

Zur historischen Aufarbeitung der DDR-Wirklichkeit werden die Akten nicht genutzt. Und sie werden erbarmungslos mißbraucht zum Politmobbing bei den rar werdenden Posten der Politkaste, die aus Richtern, Journalisten und Funktionären besteht. Schon das, was von der Gauck-Behörde an die Medien gegangen ist, war gefiltert und zubereitet.

Zu mir kam der Journalist Jens und legte mir Seite 1 des Abschlußberichts aus der Akte vor, wo die Stasi sich rühmt, über mich »Biermann unter Kontrolle« zu haben. Nicht aber Seite 2, auf der steht, daß eingeschätzt werden muß, daß es mit mir ständige Auseinandersetzungen und Unklarheiten wegen der Inhaftierung von Bahro und der Ausbürgerung von Biermann gegeben hat. Deshalb seien über bestimmte Personen keinerlei verwertbare Ergebnisse erzielt worden. Fuchs wohnte immerhin 14 Tage bei mir!

Jetzt hat sich einer in meiner Firma »Kulturladen« geoutet, daß er die Materialien pausenlos zur FDJ getragen hat ein DKP-Mitglied und damaliges Berufsverbotsopfer, das ich eingestellt hatte.

Diese Forschungsgruppe an der FU Berlin, die die Akten pressemäßig zubereitet, kriegt Geldzuwendungen. Von einer halben Million Mark ist die Rede. Vom Heinrich-Bauer-Verlag, von der Volkswagen-Stiftung und - na? - von der Stiftung der Deutschen Bank. Sie fanden meine Akte, nachdem ich die Deutsche Bank als »volkswirtschaftliches Krebsgeschwür« bezeichnet hatte.

? Biermann erzählte, Sie wollten ihn von der Friedensbewegung fernhalten.

Im Gegenteil. Ich habe ihn zum Ostermarsch mitgenommen. Die DKP stöhnte. Ich habe sie genötigt: Ihr wollt die »Bots« und Wallraff?, Dann müßt ihr auch Biermann nehmen. Oder beim Krefelder Appell - ich bin mit ihm wegen der Unterschriften zu Wolfgang Abendroth gefahren. A wie Abendroth, dann B wie Biermann, so konnten die DKPler ihn nicht einfach hinter Z wie Zwerenz schreiben.

? Das sind Geschichten von gestern nur interessant für Historiker?

Den Leuten im Osten hängt das Thema »Stasi« vorn und hinten raus. Außerdem wissen sie's oft besser. Im Westen aber gibt es einen Schwärm von Hornissen, die ihr Gift noch frisch haben. Jetzt gibt's die Chance, den Manager von Katarina Witt, diesen Salonbolschewisten, zur Strecke zu bringen. Sie hätten morgens den Galgen in meinem Garten - »Dem roten Millionär« - sehen sollen.

Fragen: Bärbel Grimm Helfried Liebsch

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