Gefangenenlager für 3000 Pinochet-Gegner
.Doch,, die .»c.hüenische. Gewerkschaftsbewegung war nicht aufzuhalten. Die Salpeterwerke verwandelten sich sogar in Geburtsstätten linker Parteien. Von den 20er Jahren bis zum gewaltsamen Ende der Unidad-Popular-Regierung am 11. September 1973 gestalteten Sozialisten und Kommunisten die chilenische Politik entscheidend mit. Um den Beitrag der Salpeterarbeiter zur politischen Entwicklung des Landes zu würdigen, stellte die Allende-Regierung Chacabuco 1971 unter Denkmalschutz. Der zuständige Staatssekretär Waldo Suärez ahnte nicht, daß er nur zwei Jahre später als Häftling dorthin verschleppt werden sollte.
Viele Jahre nach dem Ende des Salpeterbooms benutzte die Militärdiktatur von General Pinochet Chacabuco als Konzentrationslager. Über 3000 politische Gefangene wurden monatelang in Chacabuco festgehalten. Der Journalist Guillermo Torres war fast ein Jahr unter der sengenden Sonne der Atacama-Wüste eingesperrt, bevor er in der DDR politisches Asyl fand. »Das schlimmste war«, erinnert er sich, »daß den Soldaten eingeimpft wurde, wir wären gefährliche Verbrecher. Aber nach ein oder zwei Wochen hatten sie gemerkt, daß wir ganz harmlose Menschen waren. Darum wurde das Wachpersonal jeden Monat ausgewechselt.«
Die Betreiber der Gedenkstätte Chacabuco wollen nicht nur die Erinnerung an die kämpferische Sozialbewegung Chiles wachhalten, sondern vor allem auch an die politische Unterdrückung während der fast 17jährigen Militärherrschaft. Damit faßte das Goethe-Institut ein heißes Eisen an. Knapp sieben Jahre nach dem Ende der Pinochet-Diktatur rührt kaum jemand an den dunkelsten Kapiteln der jüngeren Vergangenheit. Der Nachfolger von Projektinitiator Strauß, Michael de la Fontaine, hat seine Werbung der vorherrschenden Stimmung angepaßt. »Ich
verkaufe Chacabuco in den letzten Jahren auch in höchsten Kreisen als Beispiel der Industriegeschichte«, erklärt er. »Ein solches schillerndes historisches Denkmal muß in mehreren Funktionen zum Leben erweckt werden: als Kultur- und Industriedenkmal, als soziale Gedenkstätte und nicht zuletzt als touristisches Zentrum. Darüber kann, salopp gesagt, das empfindlichste Kapitel der jüngeren chilenischen Vergangenheit mitverkauft werden.«
Auf Widerstand stieß das Chacabuco-Projekt nicht nur in Chile. Obwohl das Bonner Auswärtige Amt aus seinem Kulturfonds 200 000 DM für die Verbesserung der Infrastruktur, die Restaurierung des Theaters und der Philharmonie zur Verfügung gestellt hat, verlief die Zusammenarbeit zwischen den Initiatoren und der deutschen Botschaft nicht immer ungetrübt. Botschafter Werner Reichenbaum hebt in seinem Grußwort zu Beginn des eigens zum Chacabuco-Projekt herausgegebenen Buches »Chacabuco -Stimmen in der Wüste« die Bedeutung des Ortes als Industriedenkmal hervor, erwähnt das Gefangenenlager aber mit keinem Wort. Fühlt sich die deutsche Diplomatie in Santiago immer noch einer unheilvollen Tradition verbunden? Im Unterschied zu anderen europäischen Botschaften hielt sich die bundesdeutsche stets mit kritischen Tönen gegenüber den uniformierten Machthabern um General Pinochet zurück, und jahrelang unterhielt sie engste Beziehungen zur umstrittenen Colonia Dignidad im Süden des Landes.
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