Heilkraft aus der Wurzel

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Möhren sind nahrhaft. Wie alle Wurzeln von Pflanzen sind sie reich an Speicherstoffen, die sie gesammelt haben, um im nächsten Frühjahr wieder auszutreiben. Das ist ein guter Grund, dieses Gemüse und seine Verwandten öfter auf die Speisekarte zu setzen.
Seit jeher macht sich der Mensch Wurzeln als Nahrungsquelle zu Nutze. Als Heilmittel sind sie dagegen fast in Vergessenheit geraten. Bei einer Exkursion im Freilandlabor in Berlin-Zehlendorf, organisiert vom Naturschutzbund, gräbt die Heilpraktikerin Thea Harbauer verborgene Bodenschätze aus. Sie hat sich auf die Wurzelsuche gemacht, um heilende Pflanzen unter dem Herbstlaub aufzuspüren. Der erste Stopp im Biotop »Freilandlabor« gilt einer Beinwellpflanze. Die Heilpraktikerin zieht eine Beinwellwurzel aus der Erde und probiert. Etwas schleimig liegt die Wurzel im Munde, und eignet sich darum wohl auch nicht als Gemüse. Daher wird sie als Tinktur, Salbe oder Tee verarbeitet zum Heilmittel. Allantoin ist der Inhaltsstoff des Beinwells, der wundheilend wirkt, die Durchblutung anregt und die Zellregeneration beschleunigen kann. Früher wurde dieses Rauhblattgewächs für fast alles eingesetzt, vor allem bei Knochenbrüchen und Verletzungen. »Ich benutze die Tinktur, einen alkoholischen Auszug aus Beinwellwurzel, für die Behandlung entzündeter Schleimhäute«, erklärt Harbauer. Die nächste Wurzel schmeckt bitter. Die Wegwarte, auch Zichorie genannt, hat eine lange möhrenförmige Wurzel. Ihre Bitterstoffe seien entscheidend für ihre Heilwirkung. Durch sie wird die Bildung von Verdauungssäften, wie Speichel, Magensäure und Gallensaft angeregt. Da in unserem Gemüse heute die Bitterstoffe fast völlig weggezüchtet sind, sagt Harbauer, kann es vor allem bei älteren Menschen zu Verschlackungen kommen. So kann die Wegwartenwurzel als Tinktur oder Tee vor allem bei Leberstörungen und Verdauungsbeschwerden als Heilmittel angewandt werden. Süßlich und nussartig schmeckt dagegen die Wurzel der Topinambur, einer nahen Verwandten der Sonnenblume. Die Pflanze wurde im 17.Jahrhundert aus Nordamerika nach Europa eingeführt, später durch die Kartoffel, die größere Erträge brachte, weitgehend verdrängt. Heute wird die Wurzel der robusten Gartenpflanze wieder im Naturkostladen angeboten und vor allem von Feinschmeckern wieder entdeckt. Sie schmecke am Besten wie Pellkartoffeln gekocht - mit Butter und Salz, meint Harbauer. Als Speicherstoff enthält sie eine besondere Form von Stärke, das Inulin. Da sie besonders langsam verdaut wird, eignet sich die Wurzel hervorragend als Gemüse für Diabetiker. Eine weitere Wurzel macht vor allem durch ihren Geruch auf sich aufmerksam. Sie gehört dem Alant, einer Pflanze mit einer langen Tradition als Heilkraut. Da sie reich an Duftstoffen, den ätherischen Ölen ist, wird sie vor allem bei Husten und Bronchitis eingesetzt. Besonders unbeliebt hat sich im Garten die Brennnessel gemacht. Weit verzweigt ist ihr Wurzelwerk und es hält sie hartnäckig am Standort fest. Doch auch dieses Unkraut hat seine heilenden Seiten. Im Herbst treibt es noch einmal frische Blätter aus. Die kann man als Spinat zubereitet essen - vorausgesetzt man bringt genug Geduld zum Sammeln auf. Ergiebiger ist die Ernte im Frühjahr. Blätter wie Wurzeln der Brennnessel sind Medizin bei Harnwegsinfektionen. Sie fördern die Nierenfunktion und lindern Gelenkbeschwerden (Arthrose). Der Extrakt der Wurzel wird vor allem bei Prostatabeschwerden verwendet. Zum Abschluss des Spaziergangs, etwas verfroren und mit erdig »wurzeligem« Geschmack auf der Zunge, bekommen wir noch einen Tipp auf den Weg, der uns eine Erkältung vom Halse halten soll: Im Kräutertee immer ein Stückchen Ingwerwurzel mit aufbrühen, empfiehlt Harbauer zur Kräftigung der Abwehrkräfte. Die gesündeste Kost, der Jahreszeit und Erntezeit entsprechend seien Kohl - und natürlich Wurzelgemüse wie Kartoffeln, Möhren, Rettich oder Rote Beete. Ulrike Siedel
Neue und bewährte Rezepte für Topinambur, Schwarzwurzel oder Steckrübe - dazu Einkaufs-und Lagerungstipps für den Fall, dass Sie keine geeignete Stelle zur Verfügung haben, um die wurzligen Bodenschätze selbst zu heben - finden Sie in einem neuen Kochbuch, dass perfekt zu dieser Jahreszeit passt. Cornelia Schinharl: Herbst- und Wintergemüse. Vitamin-Power für die kalte Jahreszeit, Seehamer Verlag, 112 Seiten, geb., 15,40 EUR.

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