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Netzwerke des Terrors

Die neuen Kreuzzüge - Arabien und der Westen

  • Heinz Knobbe
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach der Wiederwahl von George W. Bush und der Benennung von Condoleezza Rice als Außenministerin stellt sich die Frage, was können wir von der neuen US-Administration auf dem Gebiete der Außenpolitik gegenüber dem Nahen und Mittleren Osten, bei der Fortführung des »Krieges gegen den Terror«, in der Auseinandersetzung mit dem Islamismus erwarten? Wer auf solche Fragen Antworten sucht, sollte das Buch von Gilles Kepel, Professor für Politische Studien am Institut d Ètudes Politiques in Paris, Experte zum Thema islamischer Fundamentalismus und Kenner der arabischen Welt, lesen. Er weist nach, dass die strategische Zielstellung der USA darin besteht, den Nahen und Mittleren Osten neu zu ordnen, die Karten in dieser Region neu zu mischen. Staaten, die als Bedrohung Israels gelten, soll militärisch das Rückgrat gebrochen werden; anschließend sei »ein Übergang der Macht an Vertreter der Zivilgesellschaft einzuleiten, die sich dann willig in eine Globalisierung unter amerikanischer Vorherrschaft einfügen würden«. Kepel schildert im Einzelnen, wie diese Zielstellungen bereits realisiert werden. Er skizziert die Veränderungen in der Nahost-Politik der USA, porträtiert die Vertreter der neokonservativen Ideologie, der Think tanks und benennt die Interessen, die zu einem aggressiven Interventionismus drängten. Von besonderem Interesse angesichts aktueller Diskussionen dürften die Kapitel in Kepels Buch sein, die ausführlich die Herausbildung des militanten Islamismus beschreiben, Lebensläufe, Theorien und Aktivitäten von Protagonisten wie Zawahiri, Rahman, Azzam, Turabi und bin Laden vorstellen sowie die Schaffung des Netzwerks Al-Qaidas rekonstruieren, aber auch jene, die über gegenwärtige Probleme im politischen System Saudi-Arabiens sowie die Ideologie des Wahabismus informieren. Der Autor macht deutlich, warum sich die islamischen Völker gegen den Anspruch und die Versuche der Bush-Regierung wehren, unter dem Banner des »Krieges gegen den Terror« Kreuzzüge gegen den Islam zu führen. Er erklärt, warum die Feindseligkeit zwischen der islamischen Welt und »dem Westen« immer größer wird (Bombenanschläge, Geiselnahmen, Hinrichtungen) und wie es dazu kommen konnte, dass der militante Islamismus auch in Europa Einzug gehalten hat. Kepel zeigt auch Möglichkeiten, wie der ständigen Eskalation der Gewalt Einhalt geboten, die islamische Welt und die Muslime in Europa Partner werden können. In Westeuropa leben derzeit ca. zehn Millionen Menschen, die aus muslimischen Ländern stammen und verschiedene Strömungen repräsentieren. Den Salafisten beispielsweise (ein relativ junges Phänomen innerhalb des europäischen Islam) geht es vornehmlich um die Wahrung ihrer Identität; sie sind gegen jede Integration in die kulturelle Landschaft Westeuropas, wobei sich die Mehrheit unter ihnen - die Pietisten - zugleich auch gegen jegliche Gewalt wendet. Die muslimische Präsenz in Europa wirft Grundsatzfragen auf, die in den westeuropäischen Ländern unterschiedlich beantwortet werden. Am Beispiel Frankreichs zeigt Kepel, wie der Staat individuelle Integration fördern kann. Zweifelsfrei sind Einstellungen, wie sie in jüngsten Äußerungen von CSU- und CDU-Politikern hier zu Lande zum Ausdruck kamen, einer echten Integration nicht dienlich. An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass in Deutschland bis heute die EU-Richtlinie zur Gleichbehandlung von Minderheiten nicht umgesetzt, die Diskriminierung von Ausländern gesetzlich nicht verboten ist. Kepels Buch bestätigt, dass es hinsichtlich der Politik der gegenwärtigen US-Regierung unter französischen und deutschen Politikwissenschaftlern weitgehend gleiche Einschätzungen gibt. Darüber hinaus ist es eine wertvolle Ergänzung zu Veröffentlichungen deutscher Nahost- und Islamexperten. Gilles Kepel: Die neuen Kreuzzüge - Die arabische Welt und die Zukunft des Westens. Piper Verlag, München 2004. 368S., geb., 22,90 EUR.
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