Hollywoods Welteroberer

Alexander von Oliver Stone

  • Hanno Harnisch
  • Lesedauer: 3 Min.
Oliver Stone ist bekannt für historische Verfilmungen aus der jüngeren Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika: »Geboren am 4. Juli«, »JFK - Tatort Dallas«, »Nixon« oder »Comandante«. Warum nur hat er sich jetzt filmisch aus Amerika entfernt und sich zu allem Überfluss auch noch 2300 Jahre in die Vergangenheit begeben? Vielleicht, weil er seit seinen Studienjahren an der Filmhochschule davon träumte, die Geschichte des mächtigsten Feldherrn der Antike, die Geschichte des Mannes, der den Okzident mit dem Orient verband, die Geschichte eines Staatsmannes, der ein gigantisches Weltreich schuf und schließlich die verquere Geschichte eines liebenden und geliebten Mannes auf die Leinwand zu bringen, koste es, was es wolle. Es kostete 150 Millionen Dollar und bringt uns jetzt drei sehr, sehr lange Stunden im Kino. Allein schon die epische Einführung durch Alexanders greisen Mitkämpen Ptolomäus (Anthony Hopkins), den es nach dem vielen Welterobern in eine Bibliothek, in die von Alexandria verschlagen hat, nimmt fast eine geschlagene halbe Stunde in Anspruch, aber danach wissen wir wenigstens, worum es geht: um Heldenbeschwörung. Und um den Krieg als die Urmutter aller Geschichte, aller Geschichten. Mit 32 Jahren hatte Alexander ein Weltreich geschaffen. Er zog bis zum Hindukusch, bis an die letzte Grenze der Welt, um seine letzte Grenze zu überschreiten. Um unsterblich zu werden, indem er mit dem Tod spielt. Colin Farrell - künstlich erblondet - spielt den Alexander von Oliver Stone. Seine Männerliebe, vor allem zu seinem Gefährten Hephaistion, gespielt von Jared Leto, nimmt einen breiten Raum im ganzen Film ein. Dezent thematisiert der Film die Männerliebe, die in der Antike, besonders unter Kriegern, die jahrelang mit Erobern oder Verteidigen beschäftigt waren, eher normal war. Wie verklemmt - wenn überhaupt - wurde das in »Troja« noch dargestellt. In Filmen wie »Ben Hur«, »Spartacus« oder »Gladiator« war das überhaupt kein Thema, musste es auch nicht. Peinlich direkt gefilmt der Sex von Alexander mit seiner ersten Ehefrau Roxane (Rosario Dawson). Ödipal vertrackt die Darstellung von Alexanders Mutter Olympia durch Angelina Jolie. Auf dass es auch der letzte Zuschauer merken möge, was für eine intrigante Schlange sie ist, baumeln ihr ständig Nattern am Körper. Derbgezeichnet auch Val Kilmer als Alexanders Vater Philipp - er bleibt hauptsächlich als Kampftrinker denn als König und Vater in Erinnerung. Oliver Stone erzählt die Geschichte des Alexanders von Mazedonien als einen Mix von Schlachten und Gelagen, Reflexionen und Proklamationen, Trieb und Sog. Er stellt seinen Alexander als großen exzessiven Charakter dar. Überschreitung, nicht nur von Grenzen, Verausgabung, nicht nur in der Schlacht. Stone ist schließlich auch der Macher von »The Doors« und »Natural Born Killers«. »Ich bin ein wandelnder Exzess«, sagt er im »Zeit«-Interview. Und über den Weltherrscher sagt er: »Wahrscheinlich wäre er heute ein Fall für die Psychiatrie. Das ist alles ein ziemlich durchgeknallter Rap«. Ach, wenn es doch so wäre! Die Dialoge wirken oft wie gefilmtes Theater. Immerhin nicht wie gefilmtes Geschichtsbuch, denn Stone geht sehr frei mit der »Story« um. Vermag es, die insgesamt nur zwei Schlachtenszenen überzeugend zu zeigen. Krieg ist ermüdend, schmutzig, gewaltig, tötend. Nicht Computeranimationen sondern Menschen sind da auf der Leinwand. Den Kampf Mann gegen Mann und Pferd gegen Elefant taucht Stone in ein psychedelisches Rot und hat es so geschafft, zumindest mich aus dem Kinosessel in seine andere Welt zu ziehen. So auch mit der architektonischen Rekonstruktion Babylons - einzigartig. Leider nicht der ganze Film. Viel Lärm um einen blonden Krieger.
Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal