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Bei Gesundheitsrisiko Arbeit verweigern?

  • Gerd Sieber
  • Lesedauer: 3 Min.

Arbeitsverweigerung im Juristendeutsch heißt, sind entschieden worden. Wenn also Arbeitnehmer in solchen Fragen vom Betriebsrat beraten werden möchten, muß er die Rechtslage kennen.

Generell ist der Arbeitgeber verpflichtet, Arbeitsplätze, Arbeitsumgebung sowie Maschinen und Anlagen so zu gestalten, daß von ihnen keine Gesundheitsgefährdung ausgeht.

Das Arbeitsschutzgesetz, Unfallverhütungsvorschriften und andere Bestimmungen nennen dafür die Kriterien. Das Betriebsverfassungsgesetz räumt dem Betriebsrat in den §§ 89, 90 und 91 Informations- und Mitbestimmungsrechte ein.

Das allgemein gewachsene Umweltbewußtsein veranlaßt Beschäftigte immer öfter, kritisch auch zu

prüfen, ob von den beim Bau der Büro-oder Fabrikgebäude verwendeten Materialien (Asbest,

Formaldehyd usw.) gesundheitsschädliche Belastungen ausgehen.

Nichtraucher z.B. können so kritisch gegenüber Tabakrauch eingestellt sein, daß sie sich weigern, rauchbelastete Arbeitsplätze zu akzeptieren.

Bezogen auf die direkte Arbeitsleistung hat der Arbeitnehmer gemäß § 273 BGB ein Leistungsverweigerungsrecht, solange ihn der Arbeitgeber nicht über alle relevanten Aspekte der Arbeitssicherheit unterrichtet hat. Auch gibt es für den Arbeitnehmer ein sog. Entfernungsrecht nach § 21 Abs.6 der Gef a h rstoff ve ro rd n u n g, wenn am Arbeitsplatz unmittelbare Gefahr für Leib und Leben entsteht.

Für die benannten Umwelteinflüsse gilt jedoch

der Grundsatz, daß der Arbeitgeber nur soviel Schutzvorsorge treffen muß, wie »die Natur der Dienstleistung es gestattet« (§ 618Abs.1 BGB).

In diesem Zusammenhang sind zwei Urteile des Bundesarbeitsgerichts von Interesse (jeweils vom 8. Mai 1996, Az.: 5 AZR 315/95 und 5 AZR 971/94). In dem einen Fall ging es um Luftbelastung im Arbeitsraum durch Formaldehyd und Aceton, in dem anderen durch Tabakrauch.

Nach widersprüchlichen Gutachteraussagen stellte das BAG fest, der Kläger habe kein Recht zur Arbeitsverweigerung gehabt, da eine gesundheitsgefährdende Belastung der Luft durch chemische Stoffe nicht nachzuweisen war. Gesundheitsschädliche Stoffe seien heute überall in der

Luft anzutreffen. Der Arbeitgeber sei im Regelfall nicht verpflichtet, die Luft am Arbeitsplatz sauberer zu halten, als sie es au-ßerhalb des Arbeitsplatzes sei. Er müsse den Arbeitnehmer vor den mit der Arbeit zusammenhängenden Gefahren schützen, »nicht aber vor dem allgemeinen Lebensrisiko jedes Menschen«.

Ein bißchen zynisch klingt auch die Abweisung der Klage auf einen rauchfreien Arbeitsplatz. Da Rauchen gesetzlich nicht verboten sei, »kann der Arbeitnehmer Maßnahmen des Gesundheitsschutzes bei gewerberechtlich und nach anderen Vorschriften erlaubter Tätigkeit in der Regel nicht verlangen, wenn diese zu einer Einschränkung der unternehmerischen Betätigung führen würden«.

Immerhin mußte ein weiterer Fall nicht mehr entschieden werden, weil der Arbeitgeber dem Kläger den verlangten tabakrauchfreien Arbeitsplatz tatsächlich zur Verfügung stellte.

GERD SEBERT

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