Frankreich fordert angeblich 80 Prozent von Kampfjet-Projekt

Streit um Arbeitsaufteilung könnte 100-Milliarden-Euro-Vorhaben zum Scheitern bringen

Vor zwei Jahren läutete Boris Pistorius (SPD) mit seinem französischen Amtskollegen Lecornu und Spaniens Verteidigungsministerin Robles die Entwicklungsphase des FCAS ein.
Vor zwei Jahren läutete Boris Pistorius (SPD) mit seinem französischen Amtskollegen Lecornu und Spaniens Verteidigungsministerin Robles die Entwicklungsphase des FCAS ein.

Das Future Combat Air System (FCAS) ist das ambitionierteste europäische Rüstungsprojekt der kommenden Jahrzehnte. Ab 2040 wollen Deutschland, Frankreich und Spanien einen hochmodernen und atomwaffenfähigen Kampfjet der »sechsten Generation« einführen. Dieses neue »Luftkampfsystem« verfügt den Planungen zufolge über autonome Fähigkeiten und besteht aus drei Komponenten: dem eigentlichen Jet, mitfliegenden Drohnen sowie einer »Gefechtswolke«, in der auch andere militärische Einheiten miteinander vernetzt werden. Insgesamt soll die Entwicklung des FCAS rund 100 Milliarden Euro kosten.

Nach Berichten von »Hartpunkt« wurde das Verteidigungsministerium in Berlin nun in der seit zwei Jahren laufenden Entwicklungsphase darüber informiert, dass Frankreich einen Anteil von 80 Prozent am Workshare für den »New Generation Fighter« anstrebt. Das will das militärnahe Fachmagazin »aus gut informierten Kreisen« erfahren haben.

Diese französische Forderung würde die bisher vereinbarte gleichberechtigte Zusammenarbeit zwischen den Partnern aushebeln. Bislang war vereinbart, dass die französische Dassault Aviation und die deutsch dominierte Airbus Defense die Entwicklung und Produktion paritätisch aufteilen, wobei Frankreich die Führung beim eigentlichen Kampfflugzeug übernehmen sollte.

Damit könnte das Projekt vor dem Aus stehen, denn auch Deutschland will mit dem überteuren FCAS seine Rüstungsindustrie begünstigen. Ein Sprecher des deutschen Verteidigungsministeriums beschwichtigte gegenüber der »Welt«, eine 80-Prozent-Forderung aus Frankreich sei bislang nicht offiziell bekannt. Airbus Defense betonte ebenfalls, man wolle an den mühsam ausgehandelten Verträgen festhalten, warnte aber vor weiteren Verzögerungen: »Die kommenden Monate bis Jahresende werden entscheidend sein«, so ein Konzernsprecher.

Auch die SPD sieht das Projekt gefährdet. Christoph Schmid, Berichterstatter der SPD für die Luftwaffe und FCAS im Verteidigungsausschuss des Bundestages, warnte laut »Hartpunkt«, dass ein 80-Prozent-Anteil den »Sargnagel« für das Gemeinschaftsprojekt bedeuten könnte. Man gebe sonst zu viel Selbstständigkeit und Souveränität auf und finanziere letztlich mit deutschem Geld ein französisches Projekt, sagte Schmid.

Von der Union kommen ebenfalls kritische Reaktionen. »Nachdem es klare Absprachen gibt, ist das ein völlig unbrauchbarer und destruktiver Vorschlag von französischer Seite«, kommentierte Volker Mayer-Lay, Berichterstatter Luftwaffe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Verteidigungsausschuss, gegenüber der »Welt«. Werde auf der Forderung beharrt, sei das Gemeinschaftsprojekt »am Ende«. Der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktionen, Thomas Erndl, verwies auf Alternativen und brachte ebenfalls den Abbruch ins Gespräch: Es gebe »keine Denkverbote zur Fortsetzung in einer anderen Konstellation – ob mit zusätzlichen oder auch anderen europäischen Partnern«.

Auch der Airbus-Betriebsratsvorsitzende Thomas Pretzl deutete jüngst auf alternative Partner hin. Möglich wäre der Einstieg in das von Großbritannien geführte Programm »Tempest«, darin arbeiten der britische Rüstungskonzern BAE Systems und die italienische Leonardo – einst die beiden wichtigsten deutschen Partner bei der Eurofighter-Entwicklung – mit Japans Mitsubishi an einem eigenen Kampfjet der sechsten Generation. Dieser könnte bereits 2027 als Prototyp fliegen und zunächst mit Eurofighter-Triebwerken der deutschen Firma MTU ausgestattet werden.

Ulrich Thoden, für die Linksfraktion im Verteidigungsausschuss im Bundestag, lehnt das FCAS rundheraus ab. An den aktuellen Berichten zeige sich ein »offensichtlicher Großkampf« der französisch und deutsch geführten Rüstungsindustrien in der EU. »Wenn die Regierungen und Konzerne das ambitionierte Rüstungs-Großprojekt an die Wand fliegen, ist das so; schade ist es aber um das viele, viele bereits ausgegebene Geld, das damit ebenfalls verbrannt wird«, sagt Thoden zu »nd«. Die Linke werde auch gegen alle zukünftigen Beschaffungsvorlagen »im Kontext des FCAS« stimmen.

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