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Agrarministerkonferenz: Umwelt­standards in Gefahr

Bündnis »Wir haben es satt!« mit Forderungen anlässlich des Sondertreffens der Agrarminister in Berlin

  • Anja Laabs
  • Lesedauer: 4 Min.
Gegenwärtig ächzt die Landwirtschaft unter Dürre und Hitze, vielerorts musste Getreide wie hier im Osten Brandenburgs mit geringem Ertrag vorzeitig geerntet werden. Aktivisten sagen, höhere Klimaschutzauflagen würden den Bauern langfristig helfen.
Gegenwärtig ächzt die Landwirtschaft unter Dürre und Hitze, vielerorts musste Getreide wie hier im Osten Brandenburgs mit geringem Ertrag vorzeitig geerntet werden. Aktivisten sagen, höhere Klimaschutzauflagen würden den Bauern langfristig helfen.

»Das jetzige Fördersystem der EU mästet schon jetzt auf Kosten der Gemeinschaft die, die schon längst alles haben.« Das sagte Reinhild Benning von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) am Dienstag gegenüber Journalisten. Immer noch würden Fördermittel nach dem Gießkannenprinzip an die ohnehin großen und industriellen Landwirtschaftsbetriebe gezahlt.

Die DUH gehört zum Bündnis »Wir haben es satt!«, das seit 2011 gegen eine umweltzerstörerische Agrarpolitik kämpft. Wenn sich an diesem Donnerstag die Landwirtschaftsminister der Bundesländer zu einer Sonder-Agrarministerkonferenz (AMK) treffen, will das Bündnis sie mit einer Aktion am Versammlungsort in Berlin auffordern, sich gegen die Pläne der EU-Kommission zu stellen. Sie will nämlich das Budget für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) kürzen und die Umweltstandards, an die die Vergabe der Fördermittel geknüpft ist, weiter senken. Die Agrarminister wollen über die Zukunft der GAP nach 2027 – bis zum kommenden Jahr läuft der aktuelle Förderzyklus – beraten. Mit einem Ergebnis wird nicht gerechnet. Gleichwohl wurden im Rahmen der sogenannten Vereinfachungspakete bereits Umwelt- und Klimaschutzstandards gesenkt.

Seit 1962 wird die Förderung der Landwirtschaft auf europäischer Ebene geregelt. Zunächst sollten Regeln festgelegt werden, wie die Einkommen der Landwirt*innen gesichert und ländliche Gebiete entwickelt werden können. Jüngst legte die EU in ihren Strategieplänen fest, dass dabei die Ziele des europäischen Grünen Deals und der Biodiversitätsstrategie zu beachten seien. Immerhin hatte sich das Staatenbündnis mal das Ziel gesetzt, 40 Prozent der Fördermittel so einzusetzen, dass Treibhausgase reduziert werden.

EU-Gelder für Landwirt*innen sind daran gekoppelt, dass Umwelt- und Klimaschutzstandards eingehalten werden. Schon die geltenden werden von Umweltverbänden und Wissenschaftler*innen als unzureichend kritisiert. Vor zwei Jahren zeigte eine Studie des Umweltbundesamtes (UBA), dass die Art, wie die Mittel eingesetzt werden, kaum Klimaeffekte habe. Das Amt empfahl deshalb Veränderungen bestehender Gesetze, die Wiedervernässung von Mooren, eine effizientere Nutzung von Düngemitteln, die regionale Reduktion von Tierzahlen und bessere Geldverteilung.

Da der Anteil der Landwirtschaft an den Treibhausgasemissionen in Deutschland auf mehr als 8 Prozent geschätzt wird, hält das UBA eine Steuerung für dringend geboten. Auch weil über die Hälfte der Emissionen der Landwirtschaft auf den Ausstoß des besonders klimaschädlichen Methans zurückgeht. Das Gas entsteht bei der Verdauung von Rindern und anderen Wiederkäuern, aber auch in Biogasanlagen.

CDU und CSU fordern jedoch beim GAP-Budget bislang lediglich einen Inflationsausgleich, während die EU-Kommission sogar über Kürzungen nachdenkt. Dazu kommt, dass unionsgeführte Bundesländer dem Vorschlag von Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer folgen wollen, die Standards für eine gute und ökologische Landwirtschaft zu senken. Das Motto: Bürokratieabbau.

Reinhild Benning fürchtet, dass Rainer die »ohnehin schon minimalen Standards im Tier- und Umweltschutz weiter schleifen« will. Dazu kommen Bestrebungen, für die Landwirtschaft Ausnahmen vom gesetzlichen Mindestlohn zu erwirken, was vor allem schlecht bezahlte Saisonarbeiter*innen treffen würde. Das Bündnis fordert demgegenüber, Subventionen an strengere Umweltziele zu koppeln und eine staatliche Kennzeichnungspflicht für die Tierhaltung einzuführen.

Der EU-Forderung, das Einkommen der Landwirt*innen durch verbindliche Verträge zwischen Verarbeitungsindustrie und Supermärkten zu stärken, schließt sich das Bündnis an. Dem Preisdumping in der Lebensmittelproduktion müsse endlich ein Riegel vorgeschoben werden. Große Molkereien wie das Deutsche Milchkontor und Einzelhandelsketten wie Aldi, Lidl und Co. könnten durch intransparente und späte Zahlungen an die Produzenten immer noch Dumpingpreise für Rohmilch erzwingen.

Benning betonte, das jetzige System nütze vor allem großen Unternehmen, die viel für den Export produzieren. Die Agrarsubventionen werden immer noch überwiegend pro Hektar gezahlt, wovon auch und insbesondere Holdings wie das Pharma-Unternehmen Merckle, der Heiztechnik-Hersteller Viessmann oder Aldi profitieren, die teils Agrarbetriebe besitzen. Für Benning ist klar, dass Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen sowie Sozialstandards auch den Landwirten nutzen: »Ohne ein stabiles Klima, einen funktionierenden Wasserhaushalt, Artenvielfalt und gesunde Böden wird die Erzeugung von Lebensmitteln langfristig immer schwieriger.«

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