USA in der Karibik: »Trump verletzt das Völkerrecht«

Politologin Laura Bonilla über Hintergründe zum »Drogenkrieg« der USA

  • Interview: Sara Meyer
  • Lesedauer: 5 Min.
Beschlagnahmung von 7,5 Tonnen Marihuana in Kolumbien.
Beschlagnahmung von 7,5 Tonnen Marihuana in Kolumbien.

Wie interpretiert Kolumbien die jüngsten Militäroperation der Vereinigten Staaten in der Karibik und die Behauptungen von Donald Trump, es handele sich um Maßnahmen gegen den Drogenhandel?

Kolumbien ist davon überzeugt, dass es sich um außergerichtliche Hinrichtungen handelt – das bestätigen auch Human Rights Watch und die International Crisis Group. Es gibt keinerlei Beweise dafür, dass die Getöteten Kokain transportierten. Und selbst wenn dem so gewesen wäre, würde das nicht zu dem passen, was wir aus Geheimdienstkreisen und von anderen Staaten über den Kokainhandel wissen. Der Handel läuft über deutlich größere Häfen, mit größeren Schiffen oder sogar über unbemannte U-Boote. Das Vorgehen der USA folgt ihrer Interpretation und der Gleichsetzung, die Donald Trump zwischen Drogenhandel und Terrorismus vornimmt – eine verzerrte Logik. Natürlich ist der Drogenhandel eine der illegalen Ökonomien, aus der sich bewaffnete Gruppen finanzieren und die man in Anführungszeichen »terroristisch« nennen könnte. In Kolumbien und anderen Ländern – Mexiko, Venezuela, Ecuador, Peru – gibt es zwar erhebliche Probleme mit transnationaler organisierter Kriminalität, aber diese werden nicht auf dieselbe Weise bekämpft wie politische Terrorgruppen. Das Vorgehen Trumps verletzt das Völkerrecht.

Über Jahrzehnte hinweg war Kolumbien der engste Verbündete der Vereinigten Staaten in Lateinamerika. Wie außergewöhnlich ist die derzeitige Krise zwischen den linken Präsidenten Gustavo Petro und Donald Trump?

Extrem außergewöhnlich. Kolumbien pflegte stets ausgezeichnete Beziehungen zu den USA und hat in der Antidrogenstrategie buchstäblich das umgesetzt, was Washington verlangte – seit mehr als 40 Jahren. Als es darum ging, Anbauflächen zu vernichten, hat Kolumbien das getan. Die Vernichtung per Besprühung mit Glyphosat hat jedoch nicht funktioniert: Die Flächen wuchsen weiter. Das Medellín- und das Cali-Kartell wurden zerschlagen – die Mafia passte sich an. Der Markt bleibt der Markt: Während man das Angebot bekämpfte, wurde die Nachfrage kaum kontrolliert. Solange Nachfrage besteht, bleibt das Geschäft bestehen.

Im Januar gab es bereits eine Krise zwischen Petro und Trump wegen Migration. Nun geht es um den Drogenhandel. Worin unterscheidet sich die aktuelle Situation?

Wahrscheinlich wird alles, was Kolumbien jetzt tut, nicht greifen. Die Sprecherin des Weißen Hauses hat klargemacht: Präsident Trump ist nicht an Deeskalation interessiert. Der Präsident der USA selbst sagte, als Kolumbien noch eine »sehr sympathische« Regierung hatte – er meinte die rechte Vorgängerregierung –, sei das Land trotzdem Kokainproduzent gewesen. Er sucht externe Gründe, um sein Vorgehen gegenüber der Verfassung zu rechtfertigen – etwa, indem er Drogenhandel mit Terrorismus gleichsetzt. Das ermöglicht ihm einen Ausnahmezustand und dient vor allem dazu, die Opposition in den USA zu schwächen. Deshalb ist die Beziehung zu Lateinamerika für ihn so wichtig. Diese Lage wird sich nicht beruhigen, es sei denn, er bekommt etwas, das er will — etwa einen Regimewechsel in Venezuela. Sollte Nicolás Maduro abtreten, könnte Trump behaupten, er habe das Venezuela-Problem gelöst. Im Fall Kolumbiens signalisiert er im Grunde: Wählt nicht, was mir missfällt und – ich könnte sogar militärisch intervenieren.

Interview

Laura Bonilla ist stellvertretende Leiterin der Stiftung PARES in Kolumbien. Sie analysiert die Kolumbien-USA-Beziehungen und gilt als Expertin auf diesem Gebiet.

Sehen Sie Parallelen zu früheren US-Interventionen in Lateinamerika, etwa in Panama beim Sturz von Manuel Noriega 1989 oder im Chile der Allende-Ära bis 1973?

Ja. Wir erleben einen Moment, in dem der Multilateralismus brüchig geworden ist – das zeigt sich bei Israel, bei dieser Trump-Regierung und in der Entscheidung, UN-Finanzierungen zu streichen. Er müsste nicht zwingend die CIA oder das Militär schicken; es sind aber neue Formen der Einflussnahme denkbar. Und es fehlen Gegenkräfte. Gerade jetzt sind Gegengewichte kaum vorhanden. In Venezuela könnte das sehr gefährlich werden: Dort gibt es bewaffnete Zivilakteure, militärische Korruption und politische Kräfte, die eine Intervention befürworten – ich bin mir da nicht sicher.

Wie abhängig ist Kolumbien wirtschaftlich noch von den Vereinigten Staaten?

Äußerst. US-Sanktionen würden uns hart treffen. Ich halte Kolumbien und Mexiko für die beiden Länder, die bei möglichen US-amerikanischen Sanktionen am stärksten leiden würden. Selbst bei Bemühungen zur Diversifizierung unserer Exportstruktur kämen diplomatische Schwierigkeiten dazu. Das lässt sich nicht einfach ausblenden.

nd.DieWoche – unser wöchentlicher Newsletter

Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.

Entsteht in Lateinamerika angesichts der Trump-Politik eine neue regionale Dynamik?

Das ist schwer zu beantworten. Früher verband die US-Außenpolitik beide Parteien, die Demokraten und die Republikaner; übergeordnete Interessen und professionelle Diplomatie schufen Kontinuität. Das ist vorbei. Ich weiß nicht, wohin das jetzt führt.

Erwarten Sie, dass Trump in die Präsidentschaftswahl 2026 in Kolumbien eingreift?

Ja. Davon bin ich absolut überzeugt. Ehrlich gesagt, glaube ich, er tut es bereits.

Öffentlich, ähnlich wie in Argentinien, wo er sagte, Argentinien bekomme nur frisches Geld, wenn sein Schützling Javier Milei bei den Teilwahlen zum Parlament gewinnen würde ...?

Ja, genau so wird er es tun. Er wird es offen aussprechen. Er hat keinen Grund, es zu verbergen, und er wird es buchstäblich so sagen.

Andere Zeitungen gehören Millionären. Wir gehören Menschen wie Ihnen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser*innen und Autor*innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.

Dank der Unterstützung unserer Community können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen ins Licht rücken, die sonst im Schatten bleiben
→ Stimmen Raum geben, die oft zum Schweigen gebracht werden
→ Desinformation mit Fakten begegnen
→ linke Perspektiven stärken und vertiefen

Mit »Freiwillig zahlen« tragen Sie solidarisch zur Finanzierung unserer Zeitung bei. Damit nd.bleibt.

- Anzeige -
- Anzeige -