»Kein wirtschaftlich messbarer Schaden«?

Urteil gegen Ex-Manager der LBB erhellt offenbar legales System von Bereicherung und Umverteilung

  • Claus Dümde
  • Lesedauer: 3 Min.
Das milde Urteil wegen »Bilanzfälschung« gegen zwei Ex-Manager der Landesbank Berlin (LBB) begründeten die Richter auch damit, dass die Bank »keinen wirtschaftlich messbaren Schaden erlitten« habe. Das ist fragwürdig. Und der Milliardenschaden für das Land Berlin ist unbestreitbar.

Die von der Vorsitzenden der 26. Strafkammer des Landgerichts Berlin in ihrer mündlichen Urteilsbegründung vertretene These wurde zumindest durch eine aufschlussreiche Tatsache in Frage gestellt, die sie eher nebenbei erwähnte: Die fünf angeblich »persönlich haftenden Komplementäre« der Immobilienfonds, laut Gericht leitende Banker, und ihre Erben wurden durch die LBB-Vorstände Jochem Zeelen und Ulf-Wilhelm Decken nicht nur insgeheim »unwiderruflich« von dieser Haftung sowie möglichen Schadenersatz- und Steuerforderungen befreit. Obwohl sie bloß als Aushängeschild der Fonds fungierten, nicht zuletzt, um dadurch lukrative Steuervorteile zu sichern, wurden sie der Richterin zufolge fürstlich honoriert: im ersten Jahr mit sechsstelligen, in den Folgejahren mit fünfstelligen DM-Beträgen.
»Kein wirtschaftlich messbarer Schaden«? Vielleicht sind derart risikolos »verdiente« Summen in den Augen einer Wirtschaftsstrafkammer ja nur »Peanuts«, zumal angesichts von »Eventualrisiken« - für die LBB - in Höhe mehrerer Milliarden DM. Daraus ist der Bankgesellschaft Berlin (BGB), in die die LBB eingegangen ist, womöglich wirklich kein nachweisbarer finanzieller Schaden entstanden, sondern »nur« ihren Anteilseignern, weil infolge des Bankenskandals Kurs und Dividende in die Knie gingen.
Zahlen müssen für die - offenbar ganz »legale« - Bereicherung der Komplementäre und Zeichner all der von der LBB und ihren »Töchtern« in den 90er Jahren aufgelegten dubiosen Immobilienfonds vor allem das Land Berlin bzw. seine Bürger. Schon Mitte 2001, als der Vorstand der BGB für das Jahr 2000 eine halbwegs realistische tiefrote Bilanz präsentierte, glich sie das damals von SPD und Grünen regierte Land durch 1,7 Milliarden Euro Zuschuss aus. Im September 2001 stimmte der Senat einer Kapitalerhöhung der BGB zu, durch die der Landesanteil an der angeschlagenen Bank - samt ihren finanziellen Risiken - auf 81 Prozent stieg.
Im April 2002 billigte schließlich eine Mehrheit des Abgeordnetenhauses den Antrag des SPD/PDS-Senats, Risiken aus Immobilien-»Altgeschäften« bis 2001 per Landesbürgschaft »abzuschirmen«. Was das heißt, erläuterte BGB-Vorstandschef Hans-Jörg Vetter den Aktionären auf der Hauptversammlung am 19. Juli 2002 so: »Das Land übernimmt für verschiedene in der Detailvereinbarung näher bestimmte Risiken aus dem Immobiliendienstleistungsgeschäft der Bankgesellschaft und der anderen Konzerngesellschaften weit reichende Garantien und Gewährleistungen bis zu einem Höchstbetrag von 21,6 Milliarden Euro.« Die »tatsächliche Inanspruchnahme des Landes« werde sich »im günstigen Fall« auf voraussichtlich rund 2,7 Milliarden, »im schlechtesten Fall« auf 6,1 Milliarden Euro belaufen. Das ist der »wirtschaftlich messbare Schaden«. Und dazu kommen neben den üppigen Pensionen für zahlreiche im Ruhestand abgetauchte Bank-Manager auch die Kosten für zahlreiche Prozesse, für Wirtschaftsprüfer und nicht zuletzt für den drastischen Personalabbau.
Weil das Land Hauptaktionär der BGB ist, müssen letztlich auch dafür vor allem dessen Bürger aufkommen. Durch Einsparungen bei Sozial- und öffentlichen Dienstleistungen, durch teilweise rigorose Tarif-, Gebühren- und Steuererhöhungen müssen Millionen Berliner legale, aber schamlose Bereicherung und Umverteilung von unten nach oben finanzieren, die eine Bank in Landesbesitz betrieben hat. Spitzenpolitiker in den Aufsichtsgremien schauten dem zu. Und viele gingen gern auf Angebote ein, durch »Promifonds« selbst davon zu profitieren. Aber bei weitem nicht alles, was unmoralisch ist, ist justiziabel. Auch das gehört zum noch unbewältigten Berliner Bankenskandal.

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