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»Noch haben zu viele Rote was zu sagen«

  • Lesedauer: 2 Min.

»Was will denn der noch hier, natürlich gehört der eingesperrt«, sagt ein Mann mittleren Alters, der an der Bushaltestelle in Dierhagen-Dorf, einem von sechs Ortsteilen des Ostseebads, bei brütender Hitze Schatten sucht. Er will seinen Namen nicht nennen, »weil noch zu viele Rote was zu sagen haben«. Einzelne aggressive Haltungen kennt auch Fritz Düwel, aber die vorherrschende Meinung sei, daß man die Großen nicht laufen lassen

könne, wenn die Kleinen schon verurteilt sind.

Die Leute sagen aber auch, daß Schluß sein müsse mit diesen Prozessen. »Eins steht fest«, meint Eckbert Groth, »vieles von den Schweinereien haben wir nicht gewußt, und Aufarbeitung ist wichtig.« Aber Einzelpersonen, die nach damals gültigem Recht gehandelt haben, heute haftbar zu machen, das könne er nicht begreifen. Groth wohnt mit seiner Familie in Dierhagen-Dorf, hier hat er nach der Wende ein Geschäft für Bodenbeläge eröffnet. Nach fünf Jahren kam die Pleite; wie in so vielen Fällen lag's hauptsächlich an der schlechten Zahlungsmoral der Kunden.

Über 20 Prozent sind offiziell in der Region ohne Beschäftigung, tatsächlich sind es noch mehr. Viele haben in der Landwirtschaft gearbeitet, jetzt werden die Stallanlagen abgerissen, die einmal zum Volkseigenen Gut Zingst gehörten. Von einheimischen Gewerbetreibenden, elf an der Zahl, soll das Gelände dann genutzt werden. Die Region verspricht sich davon Arbeitsplätze. Ansonsten hoffen die Menschen auf den Tourismus.

Freilich habe Krenz letztendlich Verantwortung gehabt, sagt Groths Frau Bärbel, »aber könnten die nach all den Jahren nicht endlich Ruhe geben, gibt es nicht Sorgen und Probleme genug?« Bärbel Groth, die in der DDR als Lehrerin gearbeitet hat, kriegt heute keine feste Anstellung, »obwohl mehr als genug zu tun ist«. Als genauso verkrustet, wie das DDR-Regime immer dargestellt werde, empfindet sie die jetzige Regierung, »die da oben wissen doch nicht mehr, was unten los ist«.

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