Dieser Text ist Teil des nd-Archivs seit 1946.

Um die Inhalte, die in den Jahrgängen bis 2001 als gedrucktes Papier vorliegen, in eine digitalisierte Fassung zu übertragen, wurde eine automatische Text- und Layouterkennung eingesetzt. Je älter das Original, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass der automatische Erkennvorgang bei einzelnen Wörtern oder Absätzen auf Probleme stößt.

Es kann also vereinzelt vorkommen, dass Texte fehlerhaft sind.

»Zweiland« - eine Mixtur

Sasha Waltz' Sicht auf die Deutschlandbilder Von Mario Stumpfe

  • Lesedauer: 2 Min.

Eine,!!,,Cocktail kann man mixen, um schneller'-besoffen zu werden. Trabbi-Kraftstoff kann man mixen, um einen alten Motor in Gang zu halten. Farbe kann man mixen, um eine neue zu kreieren. Menschen, Länder, Geschichten kann man, besonders in Deutschland, nicht mixen. Die Menschen sterben dann, verkommen an der Mixtur. Das entstandene Gebilde wird ein Monster, frißt sich und die Welt.

Die Unmöglichkeit des Funktionierens und die Folgen der Mixtur Deutschland sind Ausgangspunkte für Sasha Waltz & Guests' neue choreographische Produktion »Zweiland« in den Sophiensälen, ein Beitrag zum Thema »Deutschlandbilder«. Der Untergang beginnt dort, wo die Ein-

heit gesetzt war. Zwei Tanzkörper verwirken sich zu einem Körper, zum konstruierten Zwilling, entworfen auf den “Reißbrettern'der Mächtigen. »? ...,

Die Figur'ist ein Monster. Zwei Münder^ verlangen Nahrung, zwei Köpfe haben ihre Gedanken, ihre Geschichte. Ein Land entsteht im liebenden Kampf der Leiber. Doch der Klebstoff will nicht halten. Die Konstruktion droht zu zerreißen, die Körper kränkeln am Bazillus Zwietracht. Ein dritter Körper kommt hinzu wie viele weitere. Er bleibt am konstruierten Einheitsland kleben. Aber das glorreiche Doppel zersplittert schließlich in Millionen Einzelteile. Eine Bewegungsrichtung, ein Plan ist nicht mehr auszumachen. Jedes Einzelteil verliert und verirrt sich in seiner Kultur und Identität: »Zweiland«, Deutschland, vieler Vaterland. Wenn auch nicht mit der inhaltlichen Dichte,

wie man sie von der Tänzerin und Choreographin Sasha Waltz kennt und zu schätzen weiß, entwickelt das Stück viele gelungene Bilder zum Stand der Dinge in Deutschland. Hätte man allerdings einen weniger konzeptionellen Titel gewählt, könnte das Stück von allem und nichts handeln. Denn spannend und interessant gelingt »Zweiland« weniger durch die transportierten Inhalte, sondem eher durch die Choreographie und die hervorragenden, multitalentierten Tänzer - Luc Dunberry, Klaus Jürgens, Juan De Garaio Esnaola, Nicola Mascia, Takako Suzuki, Laurie Young und Vivianne R. de Brito.

Insofern ist es Sasha Waltz wiederum gelungen, neue Akzente für die wenig lustvolle Berliner Tanzszene zu setzen und ein neues Genre zu kreieren: das Tanzicel, etwas, das besonders leicht, schnell und technisch perfekt umgesetzt daherkommt und einfach amüsiert. Das ist nicht wenig. Sasha Waltz & Guests können jedoch mehr.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal