Einstein- Syndrom

  • Peter Kirschey
  • Lesedauer: 1 Min.
Der Genius hat uns nicht nur eine allseits unverstandene Theorie hinterlassen. Er hat auch unzählige Sprüche geprägt, die jetzt, zum 50. Todesjahr, der Reihe nach aus dem Ärmel gezaubert werden. »Der Staat ist für die Menschen und nicht die Menschen für den Staat«, prangt es über dem Bundeskanzleramt. Und an der schweizerischen Botschaft ist zu lesen: »Echte Demokratie ist doch kein leerer Wahn«. Nun hat der Regierende am Rathaus nachgelegt: »Wenn du ein glückliches Leben willst, verbinde es mit einem Ziel.« Demokratie und Glück sind nicht nur relative Begriffe aus einem fernen Universum sondern auch mitunter sehr konkrete. Gerade erst wurden die neuesten Arbeitslosenzahlen für Berlin veröffentlich, es folgte der Armutsbericht. Die meisten Arbeitslosen haben bestimmt ein Ziel. Sie wollen arbeiten. Ob sie das Ziel glücklich macht? Jedes vierte Berliner Kind lebt unterhalb der Armutsgrenze. Haben sie vielleicht nicht das richtige Ziel? Das offizielle Berlin taumelt zwischen Gedenkminuten, Benefizgalas, roten Teppichen und Ehrenbekundungen. Nun ist Einstein dran. Losungsmissbrauch ist kein Straftatbestand wie etwa die Fälschung bekannter Markennamen. Der Name Einstein steht auch für die Hoffnung auf einen radikalen gesellschaftlichen Wandel. Wer sich mit Einstein schmückt, sollte den Mut haben, kräftig die Zunge rauszustrecken - gut durchfeuchtet und sozialkritisch.

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