Lebensversicherung: Für Kleinkinder - wenig attraktiv und oft ungültig

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Der frühere Bestseller der Versicherungsgesellschaften, die Kapital-Lebensversicherung, leidet unter dem Ende des Steuerprivilegs am Jahreswechsel 2004/ 2005. Ein Abschied, welcher der Branche noch einmal Rekordumsätze beschert hat. Auf der Suche nach neuen Zielgruppen, fand die Assekuranz Nachwuchs und zwar Nachwuchs im engen Sinne des Wortes - Kinder und Jugendliche. So werden seit einiger Zeit gewinnbringend Lebensversicherungen »für« mehr oder weniger kleine Kinder verkauft. Solche Verträge sind allerdings aus Sicht der Eltern eine fragwürdige Form der Geldanlage, und sie sind oftmals auch rechtlich unwirksam, weil eine wichtige gesetzliche Vorschrift nicht beachtet wurde. Viele Eltern haben sich im vergangenen Jahr noch dazu überreden lassen, eine kapitalbildende Lebens- oder Rentenversicherung abzuschließen, bei der ihr Kind die versicherte Person ist - und diese Verkaufswelle läuft offensichtlich auch in diesem Jahr weiter. Nach den Beobachtungen der Verbraucherzentralen handelt es sich dabei zumeist um fondsgebundene Versicherungen, deren Laufzeiten zudem oft mehr als 50 oder 60 Jahre betragen. Auf den ersten Blick scheint es bei den Altverträgen, als würden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Die Eltern sicherten ihren Kindern noch den Vorteil einer steuerfreien Auszahlung der Versicherung, gleichzeitig wird schon früh mit der Vorsorge für das Alter der Kinder begonnen, was angesichts der Entwicklungen bei der gesetzlichen Rente wichtiger denn je zu sein scheint. Tatsächlich sind solche langfristigen Versicherungsverträge jedoch aus zwei Gründen in der Regel abzulehnen. Zum einen gibt es noch ein Leben vor der Rente, »in den meisten Fällen«, so die Verbraucherzentrale Bremen, »werden die Kinder das angesparte Geld deshalb schon früher brauchen: für ein Auto, für eine eigene Wohnung oder - Stichwort Studiengebühren - für die eigene Ausbildung«. Zum anderen führt die lange Laufzeit dazu, dass Verträge mit immens hohen Anfangskosten belastet sind. Denn die planmäßig zu zahlenden Beiträge sind die Bezugsgröße für die Abschlussprovisionen, die an den Vermittler gezahlt werden und die dazu führen, dass in den ersten Jahren kaum etwas in den Spartöpfen der Verträge landet. Die meisten Gesellschaften legen ihren Provisionen zwar maximal eine Beitragsdauer von 35 Jahren zu Grunde, aber auch dieses ist offensichtlich eine sehr lange Zeit. Und einzelne Versicherer bemessen die Provisionen für noch größere Zeiträume - ohne dass der Versicherungsnehmer, der dafür bezahlt, eine Chance hat, diese Tricks zu erfahren, kritisieren Verbraucherschützer. Bei einer vorzeitigen Kündigung der Verträge nach 15 bis 20 Jahren drohen deshalb mickrige Anlageergebnisse. Nachrechnungen von Modellrechnungen für Policen, mit denen die Gesellschaften werben, zeigen, dass selbst dann, wenn die ausgewählten Investmentfonds eine Wertentwicklung von 7 bis 10 Prozent erreichen würden, oft nur die Hälfte oder noch weniger für den Anleger, also das Kind, übrig bliebe. Für solche geringen Chancen das hohe Risiko einer Aktienanlage einzugehen, ist - laut Verbraucherzentrale - »kaum sinnvoll«. Als problematisch gilt unter Experten auch die Anlage in Investmentfonds, wie sie viele Kinder-Policen praktizieren. Bei dieser speziellen Form der Kapitalanlage wollen nämlich mindestens vier Finanzdienstleister mitverdienen: die Versicherungsgesellschaft selber, der Vermittler, die Investmentgesellschaft sowie die Bank, welche Kauf, Verkauf und die Aufbewahrung der Wertpapiere abwickelt. Hinzu kommt, dass die gesamten Abschlusskosten, die von der Versicherungsgesellschaft berechnet werden, das Konto des Kunden in den ersten beiden Jahren belasten und daher von den Einzahlungen des Versicherten zunächst kaum Geld in Anlagefonds fließt. Wer sich trotzdem für ein solches Produkt interessiert, sollte sich vorab sehr genau die Kostenbelastungen anschauen. Unterm Strich ist es aus Sicht der Verbraucherschützer »bei den meisten dieser Kleinkind-Policen deshalb besser, sie schnellstmöglich wieder zu kündigen« - und sogar den Verlust des ersten Beitragsjahres in Kauf zu nehmen. In manchen Fällen besteht jedoch die Möglichkeit, ohne Minus aus dem Vertrag herauszukommen. Wenn Eltern (als Versicherungsnehmer) das Leben ihres minderjährigen Kindes versichert haben und die Versicherung vor Vollendung des siebten Lebensjahres des Kindes bei dessen Tod mehr als 8000 Euro auszahlen würde, dann bedarf es nämlich einer besonderen Prozedur. Über das Vormundschaftsgericht muss ein Ergänzungspfleger beantragt werden, quasi ein staatlicher Vormund, der im Namen des versicherten Kindes in den Vertragsabschluss einwilligt. Ist dies unterblieben, ist der Vertrag rechtlich unwirksam. So bestimmt es das Versicherungsvertragsgesetz in §159. Eltern, die für ihre kleinen Kinder eine Lebens- oder Rentenversicherung abgeschlossen haben, sollten deshalb anhand ihrer Police prüfen, ob die Todesfallleistung vor Vollendung des siebten Lebensjahres mehr als 8000 Euro betragen würde. Falls ja, sollten sie diesen Artikel ausschneiden, an den Versicherer schicken und die Erstattung aller Beiträge plus vier Prozent Zinsen fordern. Über eine sinnvolle Anlagealternative für die spätere Ausbildung ihrer Kinder kann sie die nächste Verbraucherzentrale beraten. HERMANNUS PFEIFFER

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