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Völkisches Brauchtum

  • Lesedauer: 3 Min.

Burschenschaften: Sie schlagen sich, haben das Herz am rechten Fleck und manche sind auch beim RCDS

Foto: Christian von Polentz

»SS marschiert an der Kieler Uni!«, titelte ein von der Initiative »Kieler Uni Linke« (KUL) kurz nach der Veranstaltung Ende Januar auf dem Campus verteiltes Flugblatt im studentischen Tonfall der Übertreibung. Nach Recherchen der KUL verbirgt sich hinter den »Stiefelnazi-Ordnern« der dem Freiheitlichen Volksblock« (FVB) angegliederte »Fissauer Freundeskreis« um den Neo-Nazi Sven Lörchner Aufmerksamkeit erregte der FVB durch sein uniformiertes Auftreten bei der Demonstration gegen die Ausstellung »Vernichtungskrieg. Verbrechen

der Wehrmacht 1941 bis 1944« im März 1997 »Die Organisation wurde 1994 von ehemaligen Funktionären und Anhängern der 1992 verbotenen Nationalen Front gegründet und bezeichnet sich im Internet selbst als zeitgemäße SS«, berichtet KUL-Mitarbeiter Jens Hülsen.

Die Kontakte einiger Rechtsausleger reichen offenbar bis weit ins bürgerliche Lager So ist es an der Kieler Universität kein Geheimnis, daß der RCDS in den eigenen Reihen Mitglieder duldet, die auch in der nach dem Husumer Dichter benannten »Deutschen Hochschulgilde« mitmischen. Zu diesem Kreis gehört auch Briga Bohlinger. Die Tochter des verfas-

sungsschutzbekannten antisemitischen Verlegers aus dem nordfriesischen Viöl, Roland Bohlinger, war 1995 Uniparlaments-Kandidatin der christdemokratischen Nachwuchsorganisation und fungierte bei der besagten Veranstaltung als Springmann-Sekundantin.

Derweil bestreitet die »Deutsche Hochschulgilde Theodor Storm«, die uniformierten Saalschützer angeheuert zu haben. »Um den 85jährigen Referenten vor Übergriffen zu schützen, waren wir daher zunächst erleichtert, als sich mehrere Personen bereit fanden, den ungestörten Verlauf der Veranstaltung zu gewährleisten. Sollte sich eine dieser Personen im

nachhinein als Rechtsextremist herausstellen, so distanzieren wir uns von derartigen Personen«, lautet das Dementi. Die Gilde ist eine von neun an deutschen Unis aktiven Gruppen, die unter dem Dach der »Deutschen Gildenschaft« (DG) organisiert sind. Der nicht-schlagende Studentenverband versteht sich als elitäre »akademische Erziehungsgemeinschaft«, die eine geopolitisch und völkisch begründete Führungsrolle Deutschlands befürwortet und gute Kontakte zum rechtsextremen Lager pflegt. DG-Mitglieder werden in revanchistischen Zirkeln wie dem Witikobund und der Sudetendeutschen Landsmannschaft als Führungskräfte geschätzt und schreiben für rechtsintellektuelle Publikationen wie die »Junge Freiheit« und »Criticon«.

»Die personale Union von RCDSlern und Rechtsextremen hat in Kiel leider Tradition«, sagt Jens Hülsen, der die rechte Szene an der Förde seit zehn Jahren im Visier hat. Die Politik-Lehrlinge der CDU seien nicht willens, sich eindeutig von undemokratischen Kräften zu distanzieren. In den letzten Jahren hatten Verbindungen des Kieler RCDS ins rechte

Lager immer wieder für Schlagzeilen gesorgt. So war der ehemalige stellvertretende schleswig-holsteinische RCDS-Landesvorsitzende und Studentenparlamentarier Rüdiger Dorff gleichzeitig Bundesführer des »Freibund e. V « Dieser war 1958 in Remscheid als »Bund Heimattreuer Jugend« (BHJ) nach dem Vorbild der »Hitler-Jugend« gegründet worden und galt neben der inzwischen verbotenen »Wiking-Jugend« als die größte rechtsextreme Jugendorganisation in Deutschland. Auch die RCDS-Aktivistin und Biologie-Studentin Luise Bünger ist in der BHJ-Nachfolgeorganisation »Freibund« tätig. Völkisches Brauchtum wird in diesen Kreisen bis heute gepflegt.

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