Die DDR im Süden Afrikas Von Joachim Oelßner
Mit ihrem Band, über die DDR im südlichen Afrika haben Ilona und Hans-Georg Schleicher ein Buch vorgelegt, an dem niemand, der sich künftig mit der Geschichte deutscher Politik in dieser Region beschäftigt, vorbeigehen sollte. Hier flössen Insiderwissen, akribische wissenschaftliche Arbeit und Engagement zweier DDR-Bürger zusammen, die für die Zusammenarbeit mit den Menschen und Befreiungsbewegungen in dieser Region leben.
Die Autoren geben Einblick in die Südafrikapolitik der DDR seit Beginn der 60er Jahre, informieren über die hinter den glatten Protokollformulierungen stehenden Probleme und verbinden dies mit der inneren Entwicklung der DDR, den weltpolitischen Rahmenbedingungen und dem Ringen der Partnerorganisationen in Afrika um Anerkennung und Befreiung von Kolonialismus und Apartheid.
Detailliert gehen die Autoren auf die Kooperation der DDR und der SED mit der KP und dem ANC Südafrikas, den beiden Befreiungsbewegungen Simbabwes und auf die Unterstützung der SWAPO Namibias ein. In diesem Zusammenhang erläutern sie die Struktur der Hilfsleistungen (Druck von Zeitungen, Nahrungsmittelhilfe, Sonderflüge der Interflug, Krankenhaus-
behandlung, Schulbildung), heben zu Recht den Wert der politischen Unterstützung für diese Bewegungen hervor, legen die Haltung und Praxis der DDR zum bewaffneten Kampf der Befreiungsbewegung dar und verweisen auf Stärken und Schwächen der DDR-Politik gegenüber dieser Region.
Es ist schon erstaunlich, mit welcher Konsequenz der kleinere deutsche Staat sich im südlichen Afrika an die Seite der Befreiungsbewegungen stellte. In konzentrierter Form wird dies beson-
0. Tambo (ANC, r.) trifft K. Seibt im Solikomitee, 1978 Foto: ND-Archiv
ders in der Chronik der Beziehungen der DDR zu den Befreiungsbewegungen Südafrikas, Simbabwes und Namibias deutlich.
Zu den bemerkenswerten Seiten des Buches gehört auch die Darstellung innerer Entscheidungsprozesse außenpolitischer Fragen und der Wandel von den dogmati-
schen Haltungen während der Hoch-Zeiten des Kalten Krieges hin zu realistischeren Einschätzungen über die Möglichkeiten der DDR zur Zusammenarbeit, aber auch der der Partner zur Übernahme des »sozialistischen Modells«. Im Gegensatz zu manch anderem Werk über DDR-Politik wird die Bedeutung des persönlichen Engagements für die Gestaltung der Beziehungen mit den Partnerländern hervorgehoben. Sicherlich hatte das Politbüro die letzte Entscheidung, doch auch in diesem Gremium gab es unterschiedliche Positionen zur Zusammenarbeit mit Afrika; es gab unterschiedliche Eigeninteressen und Zwänge diverser Ministerien, es gab Lobbyarbeit, vor allem aber gab es das Engagement vieler genannter und ungenannter Bürgerinnen und Bürger für aktive Solidarität.
Die Autoren zeigen auch die Grenzen der DDR-Afrikapolitik auf, die letztlich im politischen System der DDR begründet waren. Die DDR-Führung entschied nach Gutdünken über die »Soligelder«, der Rahmen für eine sich selbst organisierende eigenverantwortliche Solidaritätsbewegung war eng.
Eingehend behandeln die Autoren die Schwierigkeiten der DDR von Anfang der 60er Jahre beim Übergang zu einer aktiven Antiapartheidpolitik entsprechend den Forderungen der KP und des ANC. Im Zusammenhang mit der Solidarität der DDR gegenüber dem ANC und den politischen Gefangenen Südafrikas, darunter dem heutigen Staatspräsidenten, sprechen die Autoren von einer Instrumentalisierung der Solidarität unter außen- und deutschlandpolitischen Aspekten, mit dem Ziel, der DDR Anerkennung zu verschaffen
und ihr Legitimationsbedürfnis zu bedienen. Doch jeder Staat gestaltet seine Außenpolitik auch unter inneren Aspekten, was normal und legitim auch für die DDR war. Sie entschied sich jedenfalls bereits 1963(!) für den Boykott des südafrikanischen Apartheidregimes, was nach Jahren des Faschismus durchaus auch mit dem humanitären Selbstverständnis der DDR zusammenhing. Es sollte festgehalten werden, daß sich bis zum Ende der Apartheid keine BRD-Regierung, gleich welcher Partei, dem von der UNO verhängten Handelsboykott anschloß. Ihre Partner im südlichen Afrika gehörten stets dem anderen politischen Lager an. Das Buch erschien im Hamburger Institut für Afrika-Kunde. Persönlichkeiten im Westteil unseres Landes setzten sich dafür ein, daß es fernab von den leider üblichen DDR-Klischees geschrieben und publiziert werden konnte.
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