Kölsches Zeitungsmonopölchen
Die beiden Kölner Verlage DuMont (»Kölner Stadt-Anzeiger«, »Express«) und Heinen (»Kölnische Rundschau«, »Bonner Rundschau«) gaben Anfang Mai 1998 bekannt, daß sie »enger zusammenrücken«. Vorbehaltlich der Genehmigung durch das Bundeskartellamt erscheint die »Kölnische Rundschau«/»Bonner Rundschau« ab dem 1. Januar 1999 im Verlag DuMont Schauberg, der auch Anzeigen- und Vertriebsgeschäft übernimmt. Der »Rundschau« werden Format und Anzeigenteil des »Stadt-Anzeiger« verpaßt; sie soll im neuen DuMont-Druckzentrum gedruckt werden statt wie bisher in der Heinen-Drukkerei. Die Redaktion der »Rundschau« untersteht weiter dem Herausgeber Helmut Heinen, DuMont sagt die redaktionelle Unabhängigkeit und die Übernahme von 160 der 500 Beschäftigten des Heinen-Verlags zu.
Die »Rundschau« (Auflage 160 000) fiel gegenüber dem Stadt-Anzeiger (Auf-
lage 300 000) immer weiter zurück. Das CDU-orientierte Blatt ist mit seinen Ausgaben wie »Oberbergische Volkszeitung« und »Rhein-Sieg-Rundschau« vor allem im Umland Kölns und Bonns verbreitet, bekommt kaum Anzeigen und mach Verluste. Der »Stadt-Anzeiger« ist dagegen im Anzeigengeschäft stark und hat sich mit der »Mitteldeutschen Zeitung« in Halle auch ein Ost-Standbein geschaffen. Als lokale Anzeigenbeilage zur damals in ganz Deutschland verbreiteten »Kölnischen Zeitung« wurde er 1876 gegründet. DuMont haftet unausrottbar ein liberales Image an. Der heutige Verleger Alfred Neven DuMont neigt der FDP zu, amtierte ein Jahrzehnt als Präsident der IHK (also nicht des Dombauvereins) und ziert sie nun als Ehrenpräsident. Die Verlegerfamilie hat seit dem 18. Jahrhundert so ziemlich alles gedruckt, was im bürgerlichen Zeitalter anfiel, darunter viel Unauffälliges, was gut zu Buche schlägt: seit Jahrzehnten beispielsweise den amtlichen »Bundesanzeiger«, mit täglichen 200 Seiten Deutschlands dickste Zeitung. Auch die täglich zwei Seiten im »Express« mit Sex-, Prostitutions- und Pornoanzei-
gen lohnen sich - ein boomendes Geschäft, das sich der christlichen »Rundschau« verbietet.
Seit 1971 bereits greift DuMont auf den Konkurrenten zu, damals wurde von beiden die »Rheinische Anzeigenblatt GmbH« gegründet, darin erscheinen heute 13 kostenlose Anzeigenblätter vom »Bergischen Handelsblatt« bis zum »Brühler Schloßboten«, wöchentliche Auflage: 1,5 Millionen. 1975 wurde das gemeinsame Unternehmen »Rheinische Zeitungszustellung« gegründet. Seit 1982 hält DuMont 20 Prozent am Heinen-Verlag. Inzwischen blühen zahlreiche weitere gemeinsame Unternehmen, so »Radio Köln«, »Radio Leverkusen«, »Radio Bonn«, TV-Zeitschriften, TV-Beteiligungen. In aller Stille ist da ein kölsches Presse- und Medienmonopölchen herangewachsen.
Wie die redaktionelle Unabhängigkeit der »Rundschau« aussehen kann, darauf gab es 1988 einen Vorgeschmack: Damals wollten Heinen und DuMont zwischen den beiden Redaktionen der Leverkusener Ausgaben von »Rundschau« und »Stadt-Anzeiger« den Austausch von
Texten und Fotos durchsetzen. Die Redakteure des »Stadt-Anzeiger« protestierten: »... lehnen wir es ab, daß unsere Texte und Bilder in einer Zeitung erscheinen, die wir bisher als Konkurrenz anzusehen hatten.« Die Sache verlief im Sande. Kenner der Historie verweisen auf ein anderes Ereignis: 1941 ging es der damaligen christlichen Konkurrenz »Kölnische Volkszeitung« an den Kragen. Du-Mont kaufte sie, für 23 Reichsmark pro Abonnenten, und verleibte sie dem »Stadt-Anzeiger« ein. Damit war das katholische Blatt ausgeschaltet; die nach 1945 gegründete »Rundschau« ist dessen Nachfolger, dem nun ein ähnliches, wenn auch weniger rabiates Ende droht.
Das Kartellamt prüft die Frage der Marktbeherrschung. Dabei werden nur die beiden Tageszeitungen betrachtet, Verflechtungen und Monopole der beiden Verlage bei Anzeigenblättern, Lokalfunk und TV bleiben außen vor »Das sind getrennte Märkte«, so Markus Lange vom Kartellamt, das sich auf ein veraltetes Gesetz stützt. Bernd Imgrund, Redakteur der »Kölner Stadt-Revue«, Deutschlands größtem politischem Szenemagazin, be-
fürchtet: »Durch das erweiterte Anzeigenmonopol werden wahrscheinlich noch mehr Kunden gezwungen, nicht in der Stadt-Revue zu annoncieren.« Vermutlich steigen die Anzeigenpreise, und die kärglichen Honorare für die zahlreichen freien Mitarbeiter werden weiter abgesenkt, wie bei »Radio Köln« schon praktiziert. Einige hundert Arbeitsplätze können verlorengehen. »Der Arbeitsplatzabbau, in beiden Häusern schon weit fortgeschritten, wird beschleunigt weitergehen«, so die IG Medien.
Routinemäßig wird die Frage gestellt, ob die Meinungsvielfalt bedroht ist. Es ist aber so, daß die beiden Zeitungen zunehmend die selben geistlichen und weltlichen Kölner Klüngelfürsten mit ziemlich ähnlichen PR-Interviews umschmeicheln, z. B. den Anti-Ex-Wüterich Erzbischof Meisner und Deutschlands mediengeilsten Regierungspräsidenten Antwerpes (SPD): Ob das noch mehr »zusammenrückt« oder nicht, ist eher von folkloristischem Interesse. Eine Meinungsvielfalt wie in München, Berlin oder Hamburg stellen die kölschen Provinzblätter nicht dar, auch wenn man das nun einzige Nicht-DuMont-Blatt dazunimmt, nämlich »Bild«. Vielfalt - da müßte Neues entstehen. In der Geschichte Kölns, einer Wiege des europäischen Zeitungswesens, gäbe es dafür Beispiele, nicht nur den »Cöllnischen Diogenes« des Heinrich Lindenborn und die »Rheinische Zeitung« des Karl Marx.
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