Der Schatten Des Kanzlers
Die Unionsparteien hätten sich die Verkündigung der Aufbau-Ost-Priorität schenken können. Das Füllhorn-Schwenken bringt nichts mehr
In den Umfragen muß die CDU, die in den neuen Ländern in einem 30-Prozent-Keller hockt, um ihren Platz zwei in der Parteienlandschaft bangen. Das hat sicher mit dem starken, wenn auch nachlassenden, »Schröder-Sog« zu tun. Aber nicht nur Der Kanzler wirft im Osten einen langen Schatten. Nur wenige himmeln »Helmut« noch an, für die meisten ist der Oggersheimer inzwischen »Kohl«.
Die Stimmungslage Ost wird von Erfahrungen jenseits aller Parteipräferenzen geprägt. Von Bevormundungen und Demütigungen, von Verdächtigungen und
dem allenthalben zur Schau getragenen Unverständnis für das normale Leben in dem untergegangenen Staat DDR. Und von diesen Ossis will der Westen jetzt lernen? Ein Gag. Wenn Schäuble in der Wahlplattform zum Aufbau Ost von »nationaler Solidarität« redet, dann ist das aufschlußreich - Alltägliches brauchte nicht eingefordert zu werden. Ein Wort zum Versuch, den Länderfinanzausgleich auszuhebein, wäre redlich gewesen.
Selbstverständlich ist der Aufbau Ost kein bloßes Abbruchunternehmen. Infrastrukturell ist viel passiert. Aber selbst industrielle Leuchttürme vermögen offenbar keinen Weg zu Arbeitsplätzen zu weisen. In den neuen Ländern ist die Zahl der Erwerbstätigen in diesem Frühjahr deutlich unter die Sechs-Millionen-Marke gerutscht. Ein historischer Tiefstand. Wer da »positive Tendenzen« beschwört, der vernebelt - und verhöhnt.
Viele Verheißungen für den Osten und der hemdsärmelige Voluntarismus sind bestenfalls folgenlos geblieben. Für die Regierungsparteien spricht nur, daß auch die SPD weit von Alternativen für einen zukunftsfähigen Aufbau Ost entfernt ist. Sie profitiert nicht von eigenen innovativen Vorschlägen, sondern vom langen Schatten des großen Kanzlers.
Zum Aktionspaket
Linken, unabhängigen Journalismus stärken!
Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.
Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.