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  • Politik
  • ARD-Reform nimmt Gestalt an, aber keine sehr gute

SFBfunktSOS

  • Peter Berger
  • Lesedauer: 5 Min.

Eigentlich war Eintracht angesagt. Nach zweitägiger Klausur der ARD-Intendanten und Gremienvorsitzenden in Potsdam ward die Presse an den großen runden Konferenztisch im ORB gerufen, um sich über den Stand der Reformdebatte informieren zu lassen. Aber kaum hatte der Vorsitzende Udo Reiter nach erfreulichen Informationen über weiter wachsende Akzeptanz der ARD in den Bereichen Information und Sport zum großen Gesang angehoben vom vorbereiteten Blatt für die Presse (Überschrift: »ARD-Reform nimmt Gestalt an«), ließ der Intendant des finanzschwachen Saarländischen Rundfunks Fritz Raff ein Gegenpapier kreisen: »Finanzierungsvorschlag der großen ARD-Anstalten nicht ausreichend.«

Nein, keine Feindschaft, der Herr Kollege Reiter habe in der Debatte um die von den Ministerpräsidenten verordnete Struktufreform sein bestes getan, der notorische Gegner der kleinen Anstalten sei sogar über seinen Schatten gesprungen, aber der Sprung sei leider doch zu kurz bemessen. Inhaltliche Nachbesserungen am Reformpapier seien unerläßlich. Und so war man sich schließlich doch nur einig darüber, daß man sich bald einigen müsse. Genauer- bis Ende Oktober Dann soll der Vorschlag der ARD einfließen in die Beratungen der Länderchefs über den 4. Rundfunkänderungsstaatsvertrag.

Udo Reiter bleibt heiter So isser nun mal, der Fritze Raff, immer ein keckes

Wort auf den Lippen und keinen Penny in der Tasche. Das sagt er natürlich nicht laut, vielmehr erklärt er dem Kollegen und der Presse: Als wir in Hamburg die Eckwerte der Reform beschlossen, gab es noch Interpretationsräume, nun wird das Modell präzisiert, da müssen wir natürlich etwas enger werden.

Eng wird's vor allem für die kleinen Anstalten, die hier »Nehmer« genannt werden von den reichen »Gebern«, als hätten sie ihr Elend selber verschuldet und nicht ein längst reformbedürftiger Gebührenverteilungsmodus, der die »Kleinen« arg benachteiligt. Nun müssen sie froh sein über die Chance, die ihnen das Papier der »Potsdamer Konferenz« unter Punkt 1 gewährt: Der Finanzausgleich bleibt, wenn auch nur als rudimentärer Sockelbetrag von 1 Prozent, und das heißt: Der derzeitige Zuschuß für die gebührenschwächsten Länderanstalten wird von 186 Millionen auf 80 Millionen eingedampft, und zwar schrittweise ab 2001 über zwei Gebührenperioden hinweg. Kein Zweifel, hier werden Peanuts zu Schicksalsfragen hochgeredet, um die Arbeitsgemeinschaft zu destabilisieren, und nach jahrelangem Gefeilsche um den Finanzausgleich findet das kaum noch jemand abartig. Nur Fritz Raff gibt vorsichtig bekannt, daß er sich eigentlich doch ein halbes Prozentchen mehr versprochen hatte. Auch zwei weitere Reformpunkte, die Udo Reiter eigentlich schon unter Dach und Fach glaubte, sind dem öffentlich-rechtlichen Kleinunternehmer von der Saar nicht geheuer: Die Senkung der Ausgleichszah-

hing schon in der neuen Gebührenperiode geht ihm zu schnell, Kooperationsoder Fusionspartner sind so bald nicht gefunden, und vor der großmütigen Befreiung der »Kleinen« vom Zwang, »sich über ihren Gebührenanteil hinaus am Gemeinschaftsprogramm zu beteiligen« (Punkt 3), kann er nur warnen: betriebsbedingte Kündigungen könnten die Folge sein.

Reiter läßt durchblicken, daß politischer Druck von außen keine Wahl läßt: »Wenn wir keine Lösung anbieten, wird der Finanzausgleich von einigen Ländern gekündigt.« Er nennt den Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Erwin Teufel, der nur auf einen Anlaß lauert, aber er könnte auch Stoiber sagen, oder Biedenkopf. Die CDU/CSU jedenfalls, so viel wird deutlich, übt politischen Druck aus auf die ARD, der als Reformdruck deklariert wird, und das erste Opfer ist schon anvisiert: der SFB. Über den steht unter Punkt 4 im Reformentwurf: »Die gebenden Anstalten gehen davon aus, daß der SFB in der nächsten Gebührenperiode - entsprechend eigener Ankündigung - nicht mehr am Finanzausgleich beteiligt sein wird«.

Jene Ankündigung war das leichtsinnige Werk des Altintendanten von Lojewski, als der sich noch im Besitz der historischen Überlegenheit über das staubige Brandenburg wähnte, und der Dreck klebt nun dem Nachfolger Horst Schättle an der schweißnassen Stirn. Der funkt mit matter Stimme SOS, die Situation habe sich katastrophal verschlechtert durch Abwanderungen von Berlinern ins Umland und durch Gebührenbefreiungen, nun habe man 17 Millionen Mark Ausfall allein in diesem Jahr, und der Verzicht auf die 10 Millionen Stütze jährlich war der Tod. Dagegen sieht Schättle nun eine prima Gelegenheit, zu beweisen, daß die ARD keine Aktiengesellschaft ist, sondern eine Solidargemeinschaft, was aber leider nicht den Sympathienerv Reiters trifft.

Der hat dafür mehr Sinn für die Komik eines angekündigten Todes: Freundlich kondoliert er Schättle, aber es gebe leider Zeugen für Lojewskis Worte, gesagt sei gesagt.

Beistand kommt Schättle aus dem Brandenburgischen. ORB-Intendant Hansjürgen Rosenbauer erinnert sich an Empfehlungen aus früheren ARD-Strategiepapieren zur Fusion zwischen ORB und SFB und hält die Zeit für gekommen. Nicht, weil er etwa schon in der Bredouille steckt, der ORB beansprucht keinen Finanzausgleich; eher, weil der Druck von außen nun mal ist wie er ist, und der SFB zum natürlichen Partner wird: Berliner wandern nach Brandenburg ab und Brandenburger nach Berlin, da wächst tatsächlich was zusammen. Er will mit dem Berliner Amtskollegen Zeitplan und Wege zur Fusion bis Ende '99 erarbeiten und sie dann der Politik unterbreiten. Konsequenz der Fusion wären allerdings ein Abbau der Mitarbeiterzahlen und die Einstellung von einem Fernseh- und mindestens drei Radioprogrammen, wie der ORB-Intendant inzwischen gegenüber InfoRadio betonte.

Schättle hält sich mit Dankesbekundungen zurück. Noch hofft er auf Recht und Gesetz und ein bißchen wohl auch auf Diepgen, der kein Freund der Senderfusion ist. Der SFB-Intendant könne sich nicht vorstellen, sagt er, daß das Land Berlin einem Vertrag zustimmen würde, der den SFB von einem Strukturausgleich ausschließe. Rosenbauer hört gelassen zu und zeigt das Gesicht eines Mannes, den nichts mehr überraschen kann. Sein Angebot steht. »Und wenn es nicht die Perspektive einer Zweiländer-Anstalt gibt«, sagt er auf Anfrage der Presse, »schauen wir uns nach anderen Partnern um, die es ja gibt. Im Süden oder im Norden.« Das klingt nach alten Nachwende-Träumen, aber auch ein bißchen nach neuen Kämpfen. Die garantiert nicht ausbleiben werden.

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