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  • Kultur
  • ROBERT HARRIS: »Aurora«

Auf Stalins Spuren

  • Klaus Haupt
  • Lesedauer: 3 Min.

Aurora - Morgenröte. So wie der legendäre Kreuzer, der das Signal zum Sturm aufs Winterpalais gab, heißt der neue Roman von Robert Harris. Er handelt davon, was in Rußland übrig geblieben ist seit 1917. Einer Organisation von Alt-Stalinisten sowie deren Publikation gibt der Autor diesen geschichtsträchtigen Namen: Aurora.

Die Handlung folgt der Jagd nach einem »Notizbuch mit schwarzem Wachspapierumschlag, das einmal dem Genossen Stalin gehörte«. Der Mann, den dieses Dokument angesichts erhoffter sensationeller Aufzeichnungen reizt, ist der britische Historiker Dr Christopher Richard Andrew Kelso, Fluke genannt. Fluke sitzt auf Einladung des russischen Archivamtes als Teilnehmer eines Wissenschaftskongresses in Moskau, um einen Vortrag über Stalin zu halten. Da erscheint abends in seinem Hotelzimmer der rauhe Russe Rapawa: »Sie glauben, alles über den Genossen Stalin zu wissen, stimmt's, mein Jung ...« Und dann erzählt er bei einer Flasche Whisky jene mysteriöse Geschichte von den Todesstunden Stalins. Von Geheimdienstchef Berija, der sich des schwarzen Heftes bemächtigte, von dem brutalen Ex-KGB-Mann und Aurora-Chef Mamantow und von einem unschuldigen jungen Mädchen, das Stalin zu Diensten war Als Fluke zur Sache kommen will mit

Robert Harris: Aurora. Roman. Aus dem Englischen von Christel Wiemken. Wilhelm Heyne Verlag. 462 S.. geb., 44 DM.

dem Notizbuch, ist Rapawa verschwunden, und als er ihn endlich wiederfindet im Neubaublock Nummer neun, Eingang D, vierter Stock, hängt' er fürchterlich zugerichtet im Fahrstuhlschacht. Die Spurensuche führt den Historiker zusammen mit einem amerikanischen Fernseh-Journalisten ins eisige Archangelsk, wo sie eine wilde Schießerei erleben mit einer Gestalt, »breit wie ein Quarterback«. Fluke will »etwas Wahres und Großes und Endgültiges« ans Licht befördern, »ein Stück Geschichte, das erklären würde, weshalb sich die Dinge so entwickelten, wie sie es getan hatten«. Ein großer Anspruch. Wie hätte ihn Robert Harris angesichts der bereits veröffentlichten dokumentarischen Literatur über Stalin realisieren können? Wenngleich nicht gerade sensationell, was die Fakten betrifft, ist das Buch doch raffiniert und verblüffend in puncto Fiktion. Aufschlußreich die Passagen, in denen der Brite Fluke im Doppel mit dem Amerikaner O'Brian kalte Geschäftstüchtigkeit anstelle solider Geschichtsforschung offenbart und höhnt, daß man für Whisky und Dollars fast alle bislang gut gehüteten Archive plündern kann. Davon vorsteht ein Mann vom Fach etwas.

Wenn man dieses in England 1976 erschienene Buch erneut liest, wird einem bewußt, wie sehr Iris Murdoch den Erzählkonventionen des klassischen englischen Romans folgt. Jane Austen ist nicht weit. Der Erzähler dreht das Kaleidoskop unterschiedlicher Figurenkonstellationen, beschreibt zuweilen behäbig Orte, philosophiert und moralisiert nach Kräften. Natürlich gibt es auch Innovationen. Philosophische und intellektuelle Ideen der Autorin breiten sich im Text aus. Soziale Probleme der 70er Jahre sind angesprochen. Im Geist der Zeit wird unbeholfen über Kommunismus diskutiert. Lange hat man den Eindruck, daß dieser Roman den Zusammenbruch der alten bürgerlichen Ordnung in

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