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Im Einwohneramt regiert das Chaos

Mehr Aufgaben und weniger Personal Von Rainer Funke

  • Lesedauer: 3 Min.

Schlangen zieren derzeit die Korridore des Landeseinwohneramtes (LEA). Denn es gibt hier eine ganz besondere Sorte von Führerscheinen - solche, wie sie allerorten im Lande üblich sind. Aus der Schlange heraus murrt es und knurrt, wird gemeckert und geflucht. Die diensttuenden Beamten müssen demütig ertragen, daß ihre von morgens bis abends nervende Verrichtung nicht allzu freundlich mit »Faulheit« bis »Arbeitsverweigerung« bedacht wird.

Anlaß für die tatsächlich schleppenden Abläufe dürfte aber etwas ganz anderes sein. Denn das neue Fahrerlaubnisrecht, das am 1. Januar in Kraft tritt, zieht die Leute zuhauf an: Wem bis 30. Juni nach-, sten Jahres die Prüfung für den Führerschein Klasse 3 gelingt, der darf mit ihm nach altem Gesetz ein Fahrzeug bis 7,5

Tonnen führen, danach nur noch eines bis 3,5 Tonnen.

Die Fahrschulen wittern das Geschäft und werben entsprechend. Und so kam es, daß im September knapp 9000 Leute ins Führerscheinbüro eilten, satte 80 Prozent mehr als im gleichen Monat vorigen Jahres. Gleichzeitig wurden drei Mitarbeiter abgebaut. Nächstes Jahr sollen es weitere fünf sein. Mit immer weniger Personal müsse im LEA ständig mehr Arbeit bewältigt werden, meint Eberhard Schönberg, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP).

Denn in den nächsten sieben Jahren müssen z.B.~ sämtliche Führerscheine in Chipkarten umgetauscht werden. Das würde nach vorläufiger Kalkulation für diese Zeit und zu diesem Zwecke einen Mehrbedarf von 49 Mitarbeitern bedeuten, die nirgendwo in Sicht sind. Vielmehr sollen 500 Leute aus dem gesamten Amt »wegrationalisiert« werden - rund 25 Prozent des LEA-Personalbestandes.

Dabei gilt die Behörde bereits jetzt als dauerüberfordert. Mit fünf Millionen Bürgerkontakten im Jahr ist sie ohnehin das meistbeanspruchte öffentliche Amt der Stadt. Ein Teil des Personals muß, wie aus dem LEA zu hören ist, ständig umgesetzt und neu eingearbeitet werden, um irgendeine Lücke zu schließen.

Derweil tut sich längst die nächste und übernächste auf. Man arbeitet nach einem Notplan. Der Krankenstand - auch Ausweis für Befindlichkeiten der Belegschaft - nimmt inzwischen bedrohliche Ausmaße an. Wie weit er angewachsen ist, darüber gibt man im LEA keine Auskunft. Aus gutem Grund, so scheint es. Denn die Quote soll beträchtlich über der anderer Ämter liegen.

Das alles bringt es mit sich, daß sich Wartezeiten und Bearbeitungsfristen weiter verlängern, Post bleibt liegen. Verkehrsrowdys dürfen sich erheblich länger, als die Polizei erlaubt, trotz Suffs am Steuer oder zu vielen Punkten in Flensburg lustig weiter auf den Straßen tummeln, weil das Amt nicht in der Lage ist, angemessen zu handeln.

Dem Senat sind Chaos und Dilemma bewußt. Auch, daß seine drastischen Sparschritte im LEA die Bevölkerung direkt treffen. Er hat dennoch das LEA angewiesen, die Probleme mit eigenen Kräften zu lösen. Und hofft auf ein Wunder im Hauptausschuß des Parlaments, der zusätzlich Geld herausrücken soll.

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