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  • Politik
  • DOPING-PILOTPROZESS IN BERLIN

MfS als Kronzeuge der Anklage

Gerd Eßer, Trainer von Schwimmstar van Almsick: »Keine Dopingvergabe«

  • Lesedauer: 3 Min.

Von Jürgen Holz

Der Doping-Pilotprozeß vor dem Berliner Landgericht schleppt sich mühsam dahin. Von den ursprünglich sechs Angeklagten steht nur noch der frühere Dynamo-Sportmediziner Dr Bernd Pansold vor Gericht. Und die Beweislage gegen ihn ruht nicht gerade auf sicheren Füßen. Auch von den bisherigen Zeugen belastete keiner den 56jährigen, an der Verabreichung von Anabolika oder an irgendeiner Dopingkonzeption beteiligt gewesen zu sein. Gericht und Staatsanwaltschaft stützen sich bei der Anklage in erster Linie auf Treffberichte von Inoffiziellen Mitarbeitern (IM), die in MfS-Unterlagen der Gauckbehörde aufgefunden wurden.

Auch der am 38. Verhandlungstag als Zeuge gehörte frühere Dynamo-Trainer Gerd Eßer, der jetzt beim SC Berlin den deutschen Schwimmstar Franziska van Almsick trainiert, entlastete Dr Pansold. Gleich mehrfach erklärte der 45jährige Coach auf sich ständig wiederholende Fragen vor Gericht. »Ich habe keine Prä-

parate für meine Sportler von Pansold bekommen.« Er verneinte auch die Frage, ob er jemals vom Angeklagten Anweisungen über eine Dotierung für seine Sportler erhalten hätte. Nach seiner Kenntnis hat sich Dr. Pansold mit Fragen der Leistungsdiagnostik und Leistungsphysiologie beschäftigt und sich in erster Linie mit trainingsmethodischen Fragen und der Wettkampfanalyse befaßt.

Eßer, über den vor drei Wochen Raik Hannemann, einer seiner ehemaligen Schützlinge beim SC Dynamo Berlin, bei der Zeugenvernehmung ausgesagt hatte, in den 80er Jahren Dopingmittel von dem Trainer erhalten zu haben, bestätigte die persönliche Vergabe von Dopingtabletten nicht. Um die Belastungen für die Aktiven verträglicher zu machen, seien natürlich auch »medizische Maßnahmen« ergriffen worden. Dies sei Bestandteil einer »medizinischen Verbandskonzeption« gewesen. Von »unterstützenden Mitteln im Sinne des Dopings« ist ihm jedoch nichts bekannt gewesen. »Von Anabolika-Tabletten habe ich nichts gewußt«, führte Eßer aus und betonte: »Es ging um die Gesunderhaltung der Sportler, um ihre schnellere Regeneration.« Er könne des-

halb nicht sagen, daß er Hormonpillen an seine Sportler weitergereicht habe.

Auch der als Zeuge gehörte Dr. Manfred Thümmler, bis 1986 Ärztlicher Direktor und Leiter der Sportmedizin der SV Dynamo, bestätigte, daß Dr. Pansold »aus meiner Sicht nicht in die Vergabe von unterstützenden Mitteln eingebunden war«. Der 65jährige reagierte auf Vorhalt aus MfS-Dokumenten über eine angebliche »u.M.-Konzeption bei Dynamo« mit dem Hinweis: »Was über den Sportmedizinischen Dienst der DDR gelaufen ist, weiß ich nicht. Ich hatte in meiner Funktion in der Sportmedzin bei der SV Dynamo davon keine Kenntnis.«

Nach Lage der Dinge geht der Verhandlungsmarathon weiter - womöglich bis 1999 Denn Staatsanwalt Hillebrand beantragte, weitere Zeugen zu vernehmen, darunter Dr. Dietrich Hannemann, Leiter des Sportmedizinischen Dienstes der DDR, der frühere Dynamo-Arzt Dr. Heinz Wuschech, langjährig Leiter der Chirurgie im Krankenhaus Berlin-Wei-ßensee, und der in einem anderen Dopingprozeß bereits im August rechtskräftig verurteilte Sportmediziner des früheren TSC Berlin, Dr. Ullrich Sünder.

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