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Protest gegen Abschiebeabkommen in Albanien
Internationale Aktionen gegen das EU-Asylsystem und die Inhaftierung Geflüchteter durch Italien in Gjadër
Rund 150 Menschen aus mehreren europäischen Ländern haben sich am Wochenende an mehreren Orten in Albanien versammelt, um gegen die Inhaftierung Geflüchteter durch Italien in Kooperation mit Albanien zu protestieren. Zugleich ging es um eine Vernetzung von zivilgesellschaftlichen Gruppen, die sich gegen die Verschärfung der europäischen Fluchtpolitik engagieren.
Bei einer Demonstration vor dem in Gjadër im Norden Albaniens errichteten Abschiebehaftlager kritisierten die Teilnehmenden den sogenannten Rama-Meloni-Deal zwischen Italien und Albanien, der ursprünglich die Internierung von Geflüchteten in Albanien vorsah, die zuvor von italienischen Behörden aufgegriffen worden waren. Das entsprechende Abkommen unterzeichneten Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und ihr albanischer Amtskollegen Edi Rama vor genau zwei Jahren.
Demonstrierende sprechen von neokolonialer Migrationspolitik
Die Demonstrierenden kritisieren, dass damit menschenrechtliche Standards unterlaufen werden und eine neokoloniale Migrationspolitik betrieben wird. Organisiert wurde der Protest vom albanischen Bündnis Mesdhe und dem transnationalen Network against Migrant Detention. Dem Aufruf folgten zahlreiche Gruppen der No-Borders-Bewegung. Aus Deutschland waren Mitglieder der Initiativen We’ll Come United, SOS Balkanroute und der Abschiebehaftkontaktgruppe Dresden vertreten.
Das im November 2023 geschlossene Abkommen sieht vor, dass von der italienischen Küstenwache oder anderen Autoritäten im Mittelmeer abgefangene Asylsuchende nicht nach Italien gelangen, sondern direkt in albanische Lager gebracht werden. Diese Haftzentren, von der italienischen Polizei verwaltet, sollten ursprünglich die Asylverfahren beschleunigen und eine schnelle Abschiebung ermöglichen.
Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu sicheren Herkunftsländern vom 1. August verhinderte diese Praxis aber. Das Zentrum in Gjadër wird nun von Italien als Abschiebegefängnis genutzt. Dort werden Menschen festgehalten, deren Asylanträge in Italien abgelehnt wurden. Die Einrichtung gilt als Testballon für eine verschärfte europäische Abschottungspolitik mit Asylverfahren vor den EU-Außengrenzen.
Gefängis ist ein Symbol der europäischen Abschottungspolitik
Die Aktionen der Protestierenden starteten am Samstag in Albaniens Hauptstadt Tirana mit Kundgebungen vor der italienischen Botschaft, dem Büro der Europäischen Union und dem Regierungssitz. »Shame on you«-Rufe (Schämt euch!) hallten durch die Straßen.
Am Nachmittag besuchte die Gruppe das Jugendzentrum Hana in Lezha, betrieben von der gleichnamigen Nichtregierungsorganisation (NGO). Es leistet Bildungs- und Aufklärungsarbeit in der Region. »Wir mussten uns Informationen über den Bau des Lagers erkämpfen«, berichtete Besmira Lekaj, Mitgründerin der NGO. Es sei das Narrativ verbreitet worden, dass »Kriminelle« und »Sexualstraftäter« dort inhaftiert würden. Als Menschen gegen den Bau der Einrichtung protestierten, sei ihnen gegenüber behauptet worden, dass diese auch zur wirtschaftlichen Entwicklung der Region beitragen könne. Dem setzt die NGO Informationsarbeit über die Hintergründe des Projekts entgegen.
Am Abend fuhren die Teilnehmenden weiter nach Gjadër, direkt vor das Abschiebegefängnis. Es ist ein kalter, steriler Komplex mit hohen Mauern und Stacheldraht, gelegen am Fuß einer steilen Bergwand. In Redebeiträgen wurde er als Symbol der europäischen Abschottungspolitik beschrieben. Die Praxis der Abschiebehaft wurde als menschenverachtend kritisiert, da sie darauf ausgerichtet sei, Menschen zu isolieren und psychisch zu brechen.
»Bewegungsfreiheit ist ein Recht, kein Privileg«
»Bewegungsfreiheit ist ein Recht, kein Privileg«, sagte ein Redner der italienischen Gruppe Melting Pot Europa. Aktivist*innen aus Albanien forderten internationale Solidarität, die nicht im Tourismus, sondern in politischem Engagement bestehen müsse. Gjadër beherbergt das elfte Abschiebezentrum unter italienischer Verantwortung und ist Symbol eines neuen autoritären Kapitels europäischer Migrationspolitik. Während einer Schweigeminute wurden die Namen der Menschen verlesen, die in italienischer Abschiebehaft gestorben sind.
In Gesprächsrunden am Sonntag wurde die internationale Dimension des Rama-Meloni-Deals betont. »Das ist kein bilateral italienisch-albanisches Problem«, sagte Mitorganisatorin Nicoletta Alessio. »Es betrifft ganz Europa und die Welt«, erklärte sie. Und weiter: »Mit dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem, das ab Juni 2026 in die Umsetzung geht, können wir überhaupt nicht vorhersehen, welche Abgründe sich noch auftun. Wir müssen uns bewusst werden, dass es hier um die Verteidigung universeller Menschenrechte geht. Nur durch globale Solidarität und Mobilisierung können wir dieser Politik etwas entgegensetzen.«
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