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  • Politik
  • Ernest G. Reuter stellt in seiner Urheimat aus

Meisterliches vom erzgebirgischen Berliner

  • Reinhold Lindner
  • Lesedauer: 3 Min.

Ernest G. Reuter bei der Präsentation seiner Ausstellung

Foto: Wolfgang Schmidt

Hier, in seiner eigentlichen Heimat, sind die Ausstellungsmöglichkeiten rar, weit und breit ist im mittleren Erzgebirgskreis keine Kunstgalerie zu finden, die sich um Malerei und Grafik oder gar Plastik kümmern würde. Der Kreisparkasse in Zschbpau obliegt es, gelegentlich Bilder zu zeigen, Erpest G-.Reuter, der in Berlin lebt seit Anfang der 60er Jahre, kürzlich 65 wurde, stammt von hier, und es zieht ihn immer wieder zurück ins Erzgebirge. Längere Aufenthalte ganz in der Nähe seines Geburtsortes Drebach bringen nicht selten reiche künstlerische Ernte. Seine Ausstellung jetzt in Zschopau, eine sorgsam zusammengestellte Retrospektive, bezeugt mit subtilen Grafiken Reuters Anhänglichkeit an die sanft ausschwingende Erzgebirgslandschaft. Im kontrastierenden Schwarzweiß des dauerhaften Schnees im flachen Winterlicht über den dunklen Häusern der Dörfer und den Wäldern an den Berghängen genießt er seine Harmonie mit Land und Leuten zu Hause. Zeichnungen von umliegenden Landschaften, die er einst im Auftrag anfertigte, kommen hingegen bis zur Akribie detailgerecht den gewohnten und allseits beliebten Ansichten entgegen, sie schmücken Ämter noch heute.

Aber der Künstler ist ja auch einer von den guten alten Zeichnern, die ihr Handwerk gründlich gelernt haben. Reuters Grafikstudium in Leipzig in den 50er Jahren hat seine Spuren in der Künstlerhandschrift hinterlassen, es ist ein Leben lang immer wieder die zeichnerische Sorgfalt, die die Porträts, Landschaften, Genres, Stilleben begleitet. Auch die Pastelle Reuters, von denen er einige in der Ausstellung zum besten gibt, haben etwas von der festen Sicherheit des Strichs, der den Raum bestimmt für malerische Abstufungen. Ein Selbstporträt von 1958

überträgt dieses zeichnerische Vermögen in die Lithographie, zwei Arbeiten aus der Mitte der 60er Jahre schöpfen die Möglichkeiten der malerischen Tönungen in der Schwarzweiß-Litho fast bis an die Grenze aus: Mahnende Erinnerungen an die verheerenden Kriegszerstörungen, die Reuter als Kind erleben mußte, das Leben stürzt in den lodernden Widerschein des Infernos. Widerschein des Sterbens auch auf dem anderen Blatt, das Schweißtuch, die Reliquie, als-Abdruck des durchdringenden Aufschreis im Augenblick des grauenvollen Todes. Die Blätter sind grafisch sehr dicht, und dennoch wirken sie durchscheinend, zart beinahe in der Auffassung der Bewahrungswürdigkeit des Lebens.

Ernest G. Reuter macht deutlich, daß er zu früheren Arbeiten in festem Verhältnis steht, die Buchumschläge für den Aufbau Verlag, darunter Anna Seghers'

»Das siebte Kreuz«, sind kurz nach dem Studium entstanden. Aus dieser Zeit auch stammen Zeichnungen, die er vom damals üblichen Braunkohleeinsatz der Studenten mitgebracht hat, an Vorbildern geschult. Er studierte u. a. bei Tübke, aber Reuter hat bereits seinen eigenen Ausdruck gefunden. Die Szenen beim Gleisbau sind voller Dynamik und angespannter, gespeicherter Kraft, er vertuscht nicht, welch schwere körperliche Arbeit geleistet wurde. Hier sind keine Heroen am Werke. Und er zeigt den Besuchern seiner Ausstellung auch mit gewissem Stolz eine Dokumentation seiner zweijährigen Zusammenarbeit mit dem spanischen Monumentalisten Jose Renau, jedoch die geplante großformatige Huldigung des Menschen als Beherrscher von Natur und Wissenschaft kam über den Entwurf nicht hinaus. Immerhin entstanden für diesen Zweck eine ganze Reihe von Porträts aus Reuters Hand, das Porträt ist gewiß eine seiner Stärken, wie sich zeigt. Eine Aktzeichnung ist vielleicht sein grafisches Meisterstück, zumindest in dieser Zschopauer Ausstellung.

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