- Politik
- Gerichtsreport
Gutachten mit tragischen Folgen
Freigänger verantwortlich für Sparkassenmord Von Peter Kirschey
Der heute 52jährige Angeklagte ist ein klassischer Gewaltverbrecher und hat schon viel Unheil über seine Mitmenschen gebracht. Nicht zuletzt steht die Selbsttötung des ehemaligen Chefs der Karl-Bonhoeffer-Klinik, Dr Peter Noeres, im Zusammenhang mit den Untaten dieses Mannes. Als dem angesehenen Psychiater mitgeteilt wurde, daß sein einst stark heroinabhängiger Patient in seiner Freigängerzeit zum Mörder wurde, entschloß er sich zum Freitod. Seit gestern nun steht der Verbrecher we-
gen eines Überfalls auf eine Sparkassenfiliale in Reinickendorf und zweier weiterer Banküberfälle vor Gericht und schweigt. Gemeinsam mit einem Komplizen, der nach Mallorca abtauchte und dort verhaftet wurde, war er am 30. Oktober 1997 in die Sparkasse eingedrungen, hatte die Kassiererin mit der Pistole bedroht. Als sie 58 000 Mark herausgegeben hatte, schoß er auf die Frau und verletzte sie tödlich. Anschließend bestiegen die Täter bereitstehende Fahrräder und verschwanden unerkannt. Danach meldete sich der Bankräuber pünktlich wieder in der Klinik und tauchte so unter.
Intensive Ermittlungen brachten die Polizei nach drei Monaten schließlich auf die Spur des Freigängers, der bereits wegen ähnlicher Delikte und brutaler Sexualstraftaten mehrfach vorbestraft war Sein letztes Urteil von sechseinhalb Jahren wegen Banküberfalls datierte aus dem Jahre 1994.
Als Heroinabhängiger galt er jedoch für seihe Taten nur bedingt verantwortlich. Deshalb wurde er 1995 in den sogenannten Maßregelvollzug, das heißt in eine geschlossene Klinik, eingewiesen. Dort wurde er schrittweise auf ein Leben in Freiheit vorbereitet. Ab Mai 1996 konnte er zunächst in Begleitung und ab Juni 1997 unbegleitet einmal wöchentlich die Anstalt verlassen. Die Klinik unter Noeres stellte ihm eine positive Prognose aus, nicht ahnend, daß er seinen Ausgang zu weiteren kriminellen Aktivitäten nutzte. Als die Ermittlungen ergaben, daß er am Tattag und zur Tatzeit »draußen« war und das Tatmuster mit vorhergehenden .Verbrechen übereinstimmte; griff die Polizei am 12. Januar 1998 zu. Am 11. Januar war Dr Noeres aus dem Leben geschieden.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.