Nachgeahmt
Dörte Caspary (32)
Mit ihr stellt die SPD nach langer Zeit wieder eine ausgebildete Journalistin als Pressesprecherin ein. Sie stammt aus Nordhausen in Ostdeutschland und durchlief bis 1989 eine typische DDR-Karriere.
Foto dpa
Ihre Schulen waren nach Bertolt Brecht und Gerhard Hauptmann benannt. In den Wendejahren studierte sie in Leipzig
Journalistik, arbeitete ab 1990 erst beim Berliner Rundfunk, dann beim Jugendsender DT 64. Ab 1993 baute sie das Bonner Studio der neugeschaffenen Rundfunkanstalt ORB mit auf.
Caspary gehörte zu den wenigen Ostdeutschen unter den Journalisten, die in den ersten Jahren der vereinigten Republik aus Bonn berichteten. Die meisten ostdeutschen Zeitungen ließen ihre Bonn-Beiträge von altgedienten Westlern schreiben.
Das trug sicher dazu bei, daß in Bonn im Prinzip nie die Ostsicht als bedenkenswert anerkannt wurde. Beispielsweise beschwerte sich eine westdeutsche Journalistin, die Arbeitslosenzahlen wären im Osten nur deshalb so hoch, weil dort zu viele Frauen eine Arbeit suchen.
Zur Überraschung eines Teils ihrer Bekannten heiratete Dörte Caspary und ging nach einem Kurzaufenthalt in den USA mit Mann und Kind als Rundfunkkorrespondentin der ARD nach Moskau. Obwohl Caspary stets beteuerte, daß ihr die Arbeit in Moskau Spaß bereite, kehrte sie bereits im zweiten Jahr (1997) nach Bonn zurück und arbeitete für den Infor-
mationssender »Phoenix« weiter Inzwischen hat die Familie zwei Töchter
Der SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine beugte möglichen »Enthüllungsgeschichten« über seine neue Pressesprecherin dadurch vor, daß er bei deren Vorstellung ausdrücklich auf ihre SED-Vergangenheit hinweisen ließ: Frau Caspary war ab 1985 Mitglied der SED und trat 1989 aus der Partei wieder aus.
Mit solchem Hintergrund folgte die Bonner SPD den Bündnisgrünen. Deren früherer Fraktionschef und heutiger Au-ßenminister Joschka Fischer zeigte gern auf seinen Vertrauten und damaligen stellvertretenden Fraktionssprecher Dietmar Huber, wenn ihm Berührungsängste gegenüber andersartigen Ost-Biographien vorgeworfen wurden.
Auch Huber, früher Korrespondent der »Jungen Welt« in Bonn, trat 1989 aus der SED aus. Nach dem Wahlsieg für Rot-Grün am 27 September stieg er zum Pressesprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen auf. Er hat die von Westlern dominierte Fraktion überzeugt.
Wolfgang Rex, Bonn
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