• Ratgeber
  • Mietspiegel und Vergleichswohnungen

Mieter wehrten sich erfolgreich

  • Lesedauer: 5 Min.
Von den Mietern einer mit Fördermitteln gebauten neuen Wohnanlage wurde im Oktober 2004 erstmalig eine Mieterhöhung verlangt, nachdem die im Bewilligungsbescheid vorgegebene Wartezeit von fünf Jahren abgelaufen war. Gestützt auf den Mietspiegel sollte die Grundmiete von 5,11 auf 5,49 Euro pro Quadratmeter erhöht werden. Das ist der Höchstwert der Mietspiegelspanne von 3,76 bis 5,49 Euro für vergleichbare Wohnungen. Der arithmetische Mittelwert liegt bei 5,11 Euro. Dem Erhöhungsverlangen widersprach ein Mieter mit dem Argument, dass seine Miete bereits der Ortsüblichkeit entspricht. Der Vermieter schickte bald darauf eine neue Mieterhöhungsforderung, die nun aber nicht mehr mit dem Mietspiegel, sondern mit drei Vergleichswohnungen begründet wurde. Deren Mieter hatten tatsächlich 5,49 Euro zu zahlen, weil sie der Erhöhungsforderung im vergangenen Herbst zugestimmt hatten. Erneut lehnte der Mieter ab, weil diese Miethöhe nicht ortsüblich ist. Daraufhin erhob der Vermieter Zustimmungsklage. Er sah sich im Recht, weil eine Mieterhöhung auch mit drei Vergleichswohnungen durchgesetzt werden kann. Weitere Umstände, die die Mieterhöhung rechtfertigen könnten, wurden aber mit der Klage nicht angeführt. So war keine Einordnung in den qualifizierten Mietspiegel der Stadt vorgenommen und nicht begründet worden, dass die neue Miethöhe ortsüblich für vergleichbare Wohnungen ist und deren Miethöhe nicht übersteigt. Weiterhin wurde nicht erklärt, welche wohnwerterhöhenden Merkmale vorhanden sein sollten, die eine Mieterhöhung über den Mittelwert hinaus rechtfertigen. Allerdings müssen Vermieter dies auch nicht näher darlegen, aber bei einer Klage vor Gericht ist das unerlässlich. Bei Prüfung der Klage durch den Mieterverein ergab sich ebenfalls, dass es keine wohnwerterhöhende Merkmale für eine Mieterhöhung über den Mittelwert hinaus gibt. Der Umstand allein, dass es sich um Neubauwohnungen in einer neuen Wohnanlage mit Aufzug im Wohngebäude handelt, rechtfertige keine Mieterhöhung über den schon sehr hohen Mittelwert hinaus. Es gibt in der Wohnung auch keinen gehobenen Ausstattungskomfort. U. a. ist die Küche ohne Kochherd und ohne weitere Ausstattungsgegenstände vermietet worden, das Bad hat keine Dusche, kein zweites Waschbecken, kein Bidet, in beiden Räumen befinden sich nur einfache Wand- und Bodenfliesen, im Flur und in den Wohnräumen liegt nur einfacher Kunststoffbelag, kein Parkett, es gibt nur einen winzigen Balkon, dessen Nutzung zudem auch wegen des Straßenverkehrs eingeschränkt ist. Die Wohnungen dieser Wohnanlage haben nur schlichte Durchschnittsqualität, gemäß den staatlich vorgegebenen sparsamen Bau- und Ausstattungskriterien für den staatlich geförderten Wohnungsbau. Dafür können keine Höchstmieten verlangt werden. Dies alles wurde bei der Klageerwiderung dem Gericht vorgetragen. Bereits bei der Zustellung der Terminladung hatte der Richter der Klägerin mitgeteilt, dass die Klage nicht »substantiiert« sei, dass die Begründung fehlt. Die Klage wurde schließlich zurückgenommen, der beklagte Mieter braucht nur den Mittelwert zu zahlen. Auch ein weiterer Mieter des Hauses, ebenfalls verklagt, zahlt seine bisherige »Mittelwertmiete« weiterhin. Bedauerlich ist aber, dass die meisten Mieter den Mieterhöhungen zustimmten und nun überhöhte Mieten hinnehmen müssen. Leider ist das allgemein der Fall, wenn Mieterhöhungen über den Mittelwert des betreffenden Mietspiegelfeldes gefordert werden, ohne dass wohnwerterhöhende Merkmale vorhanden sind. In jüngster Zeit nutzen Vermieter in größerem Umfang Vergleichswohnungen als Begründungsmittel, um damit die ortsübliche Vergleichsmiete und die Differenzierung des Wohnwertes der jeweiligen Wohnung, innerhalb des Mietspiegelfeldes und den Mittelwert bei Durchschnittswohnungen, zu umgehen. Für sie ist die Bezugnahme auf Vergleichswohnungen am einfachsten - für die Mieter aber am gefährlichsten. Deshalb sollten solche Mieterhöhungsforderungen vom Mieterverein oder von einem sachkundigen Anwalt geprüft werden, um dann nicht oder nur teilweise zuzustimmen, wenn es dafür Gründe gibt. Mieten von Vergleichswohnungen sind oft höher als die ortsüblichen Miethöhen. Diese Problematik ist auch in der jüngeren Rechtsprechung aktuell. So entscheiden Gerichte, dass zur formalen Begründung einer Mieterhöhung zwar die Benennung von drei Vergleichswohnungen ausreicht, aber es wird der Nachweis verlangt, dass die Mieterhöhung die ortsübliche Vergleichsmiete nicht übersteigt. Dazu ist der Mietspiegel heranzuziehen. Ihm wird ein hoher Beweiswert beigemessen, desgleichen auch Übersichten, Tabellen, Angaben in Mietspiegeln über wohnwertmindernde oder wohnwerterhöhende Merkmale. Sie haben vor Sachverständigengutachten bei der richterlichen Findung der ortsüblichen Miete Vorrang. Auffassungen von Vermietern, ihnen stehe der Oberwert der Mietspiegelspanne zu, es käme nur darauf an, dass sich ihr Verlangen innerhalb der Spanne bewege, wurden zurückgewiesen. Auch wenn die ortsübliche Vergleichsmiete kein punktgenauer Wert ist, sei es im Gerichtsprozess erforderlich, die konkrete Wohnung innerhalb der betreffenden Mietspiegelspanne einzuordnen. Die ortsübliche Vergleichsmiete im Sinne einer Einzel-Vergleichsmiete könnte schon deshalb nicht in jedem Fall mit dem Oberwert einer Mietspiegelspanne übereinstimmen, weil die Ausweisung einer Spanne im Mietspiegel sonst jegliche Funktion verlieren würde. Das Gericht kann die Ortsüblichkeit mit Hilfe eines Mietspiegels und der Orientierungshilfe über Wohnwertkriterien schätzen, ohne dass es eines Sachverständigengutachtens bedarf, so der Bundesgerichtshof. Auch das Landgericht Potsdam urteilte analog. In beiden Urteilen wurden Klagen auf Zustimmung zur Mieterhöhung abgewiesen, weil Miete bereits in Höhe des Mittelwertes und in einem Fall über den Mittelwert hinaus gezahlt wurde und keine Gründe für eine höhere als die ortsübliche Miete dargelegt wurden. Seit langem ist es herrschende Meinung und Urteilspraxis, dass nur der Mittelwert anzuerkennen ist, wenn die Begründung für eine Mieterhöhung über den Mittelwert hinaus fehlt. Resümee: Viele Mieten sind höher, als sie sein dürften. Das ist bedauerlich, weil überhöhte Mieten in den nächsten Mietspiegel eingehen und so die Ortsüblichkeit hochtreiben. Mieter sollten ihre Rechte konsequent wahrnehmen. Dr. jur. HEINZ KUSCHEL
BGH-Urteil vom 20. April 2005, Az. VIII ZR 110/04 (»Wohnungswirtschaft & Mietrecht« 6/2005/ 304); Urteil des Landgerichts Potsdam vom 30. September 2004, Az. 11 S 27/04 (»Neue Justiz« 3/04/130).

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