- Politik
- Helmut Sakowski zum 75. Geburtstag
Mit ihm geheult und gelacht
Sein forstlicher Beruf hat ihn nicht zum Waldschrat werden lassen. Aber die offene Landschaft kann ihm Veranlassung gewesen sein, alles auszuschreiten, was literarisch auszuschreiten ist. Schaut man genau hin, sind die Spuren Helmut Sakowskis unverwechselbar Das betrifft Rundfunk und Fernsehen ebenso wie die Literatur Aus seiner Feder kamen Hörspiele und Drehbücher für zahlreiche populäre Fernsehfilme, Romane, Erzählungen und in den letzten zwölf Jahren auch mehrere Kinderbücher
Sakowski hat sich immer zur Zeit geäußert - auch hin und wieder mit publizistisch direktem Wort. Er ist ein Nachdenker und Mitdenker, dem es nach 1990 gelungen ist, auf dem Markt der Bücher zu bleiben - mit Romanen wie »Die Schwäne von Klevenow«, »Schwarze Hochzeit auf Klevenow« oder »Wendenburg«. Auch hört man von Plänen, die das Fernsehen betreffen. Allerdings hält sich der Autor da noch mit Äußerungen zurück. Er kann sicher sein: Viele Zuschauer werden sich freuen, wieder einmal einem Werk Sakowskis auf dem Bildschirm zu begegnen.
Denn Helmut Sakowski hat in der DDR ein Stück Fernsehgeschichte geschrieben. Das begann schon mit seinem ersten Werk, das er als 34jähriger Förster verfaßte: »Die Entscheidung der Lene Mattke« (1958), setzte sich fort mit »Steine im Weg«, »Sommer in Heidkau«. Der Mehrteiler »Wege übers Land« (1968), der die sozialen Veränderungen im Leben der Ostelbier, deren Herkommen, deren schwierigen Wandel vorführte, war Tagesgespräch. Oder »Daniel Druskat«
(1976): Schauspieler wie Krug, Thate, die Domröse, die Karusseit, Erik S. Klein und andere mögen dazu beigetragen haben, daß dieser Fünfteiler in Erinnerung bleibt. (Die Romanfassung hatte elf Auflagen.) Es ging um konfliktgeladene gesellschaftliche Vorgänge im Osten: die Kollektivierung der Landwirtschaft, die insofern schwierig war, weil entscheidende soziale Erfahrungen auf dem Lande an Besitz geknüpft sind. Wer Land hat und es bearbeitet, will es nicht teilen und nirgendwo hineingeben müssen, das gilt für die Kräftigen wie die Schwachen. Ein schwieriges Umdenken wird geschildert, die Zuschauer werden Zeugen tiefgreifender menschlicher Entwicklungen.
1970 erschien »Zwei Zentner Leichtigkeit«. Sakowski nannte das Buch Geschichten. Nahe an der Wirklichkeit sind sie, fast Porträts, Reportagen. Darunter befindet sich das Porträt des unlängst verstorbenen ehemaligen LPG-Vorsitzenden Fritz Dallmann aus Priborn in Mecklenburg, dessen Wirken zur Veränderung des Lebens auf dem Lande unvergessen ist. 1984 machte der Roman »Wie ein Vogel im Schwärm« Furore. Die Rezensionen nach Erscheinen dieses Buches waren verhalten. Lobeshymnen gab es nicht. Denn die kritische Sicht des Autors, der inzwischen Mitglied des ZK der SED geworden war, betraf nicht nur DDR-Wirklichkeit allgemein, sondern Funktionäre im besonderen.
Genaues Beobachten gesellschaftlicher Realität - das ist Helmut Sakowskis Metier, dem er bis heute treu geblieben ist. Er denkt über das Funktionieren gesellschaftlicher Zusammenhänge nach, die in Menschenschicksale eingreifen. Sein mir liebstes Werk erschien 1991: »Stiller Ort - oll mochum«. Ein gut gemachtes Buch mit Illustrationen von Joachim Lau-
Foto: Günter Prust
tenschläger Eine Geschichte um Verrat, dumpfe Verdrängung, Behauptung, die Tragödie eines jüdischen Schicksals... Das Faszinierende an diesem Buch ist, wie der Autor dem gewöhnlichen Faschismus nachgeht, der massenhaften Beteiligung an der Vernichtung von Millionen. Denn auch im Osten ist Vergangenheit verschwiegen worden. Aber Geschichtsaufarbeitung liegt nicht nur in gesellschaftlicher Verantwortung, sie ist auch individuelle Verpflichtung.
Helmut Sakowski lebt seit Jahrzehnten im Mecklenburgischen. Die Landschaft ist ihm vertraut. Diese Vertrautheit erlebbar zu machen, gelingt ihm seit Jahren auch mit populären Geschichten für Kinder Auf »Wie brate ich eine Maus« 1987 folgte mit der gleichen Personage 1993 »Prinzessin, wir machen die Fliege«. Neu im Buchhandel sind »Die haarsträuben-
den Abentuer des Raoul Habenicht«. Er hat da einen Clan erfunden, der als Großfamilie den Namen Habenicht trägt. Raoul ist einer der Helden, seine Cousine Katja taucht auf als Katja Henkelpott. Die sind aus der Landschaft, die Sakowski liebt, nicht wegzudenken. Landschaft ist für ihn immer auch Gegenstand der Auseinandersetzung. Und die Figuren spinnen einen Faden, der eben ostdeutsch ist - eine soziale Erfahrung, die im wahrsten Sinne des Wortes für die Zukunft zu Buche schlagen kann.
Helmut Sakowski wird 75. Mit dem Glückwunsch sei ihm zugleich versichert, daß seine unübersehbare Gemeinde von Lesern und Zuschauern sich gefreut, gelitten, geheult, gelacht hat, weil da unverwechselbare Figuren in die Köpfe eingezogen sind, die man nicht mehr aus ihnen herausbekommt.
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