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Kurzer geht's nicht

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Von Jürgen Amendt

32 Seiten kurz ist die Doktorarbeit von Bernd Stratmann von der Ruhr-Universität Bochum. Der Mathematiker erhieltfür seine Arbeit dennoch - oder gerade deswegen - die Note »magna cum laude«. Besser geht's nicht. Weil er sich kürzer als alle anderen Promovenden gefasst hat, hat ihm ein Wissenschaftsinstitut mit einer Auszeichnung bedacht: Deutschlands kürzeste Doktorarbeit.

Ein Schelm, wer böses dabei denkt, ist doch das »Institut für Wissenschaftsberatung Dr. Frank Grätz« privatwirtschaftlich finanziert, wie die Agentur dpa vermeldet. Die Botschaft ist eindeutig. Wer sich kurzfasst, kommt an bei den Bossen der Wirtschaft. Das ist nicht nur bei wissenschaftlichen Abschlussarbeiten so, das trifft auch auf die Länge bzw. Kürze des Studiums zu. Kritisches Hinterfra-

gen und langes Nachdenken sind ineffizient.

Doch tun wir dem Jungmathematiker nicht Unrecht. In seiner Disziplin geht es bekanntlich darum, Wirklichkeit in möglichst kurzen abstrakten mathematischen Formeln abzubilden. Da reichen 32 Seiten sicherlich aus. Wer sich auf gesellschaftsoder geisteswissenschaftlichem Gebiet bewegt, braucht mehr Platz zum Formulieren

seiner Gedanken und Erkenntnisse,

Was kein Plädoyer für 1000-Seiten-Examensarbeiten sein soll. Viele Studenten haben Probleme mit dem Verfassen von wissenschaftlichen Texten: Lang und breit führen sie aus, was auch viel kürzer gehen würde. Manche Studenten schreiben in Vorbereitung auf ihre Examensarbeit Exzerpte, die genau so lang sind wie die Buchvorla-

ge. Die Professoren, die dies beklagen, sind an dem Missstand mit Schuld. Während an Universitäten in Japan oder den USA 1000 bzw. 1500 Hochschullehrer nur damit beschäftigt sind, den Studenten die Kunst des wissenschaftlichen Schreibens beizubringen, bleiben an der deutschen Alma mater die Studenten meist sich selbst überlassen; Pflichtkurse, die Exzerpt-Techniken lehren, sind selten. Foto: Reuters

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