Wenn Güterzüge den Schlaf rauben

Initiativen am Rhein kämpfen für Lärmschutz

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Unter dem Druck von Bürgerinitiativen versprechen Bahn und Politik Abhilfe im Kampf gegen Bahnlärm im Mittelrheintal.

Das obere Mittelrheintal zwischen Rüdesheim/Bingen und Koblenz gehört zum Unesco-Weltkulturerbe und lockt Touristenströme aus aller Welt an. Doch »viele Urlauber kommen kein zweites Mal und Reiseveranstalter meiden das Tal zunehmend«, warnen lokale Bürgerinitiativen.

Anwohnern und Urlaubern macht nämlich schon jetzt der Lärm zu schaffen, der vom Schienen-Güterverkehr ausgeht. Das Rheintal ist das Nadelöhr der Trasse zwischen den Seehäfen Genua, Rotterdam und Antwerpen. Und es könnte noch schlimmer kommen: Nach der für 2017 vorgesehenen Öffnung des Gotthard-Basistunnels könnten dank moderner Signaltechnik bis zu 700 Güterzüge täglich im Vier-Minuten-Takt durch das Tal rauschen und noch mehr Erschütterungen sowie einen Lärmpegel von bis zu 110 Dezibel erzeugen - entsprechend einem Presslufthammer.

Immobilien entwertet

Die Folgen für die idyllische Gegend: Junge ziehen weg, manche Immobilie ist unverkäuflich. Wer bleibt, klagt über Schlafstörungen, Bluthochdruck und Herzrasen. Weil der Krach hier mehr auf den Nägeln brenne als am Frankfurter Rhein-Main-Flughafen, sei analog zum Nachtflugverbot auf Rhein-Main auch ein Nachtfahrverbot für Güterzüge angemessen, so die Forderung. »Der Lärm hat einen Namen: Dr. Peter Ramsauer«, heißt es im Internet bei »bahnlaerm-mittelrhein.de«. Die Initiativen werfen dem CSU-Bundesverkehrsminister vor, zum Bau einer neuen Güterverkehrstrasse abseits des Rheintals »Jein« zu sagen.

Um dem entgegenzuwirken flog Ramsauer dieser Tage an den Rhein und bemühte sich bei einer Präsentation der Deutschen Bahn AG zum Projekt »Leiser Rhein« in Bingen um Schulterschluss mit Bahnchef Grube und regionaler Politprominenz. Er habe auch schon mit der Trillerpfeife gegen Lärm demonstriert und nehme das Pfeifkonzert gerne entgegen, rief Ramsauer den Demonstranten zu, die durch einen Zaun, vier Gleise und durchfahrende Züge von der Veranstaltung getrennt waren und mit Transparenten und Parolen wie »Güterzüge raus« eine sicht- und hörbare Kulisse für die Veranstaltung bildeten.

Lösung »Flüsterbremse«?

In Bingen versprach Grube, die Güterbahn DB Schenker Rail werde bis 2020 den Lärm durch sogenannte »Flüsterbremsen« halbieren. Ein Pilotzug habe 200 000 Kilometer zurückgelegt und eine neue Technik von Bremssohlen mit weniger Lärm und Abrieb getestet. Mit der Zulassung sei nun die Europäische Eisenbahnagentur am Zuge, so Grube: »Wir setzen darauf, dass andere Güterbahnen den guten Argumenten folgen und die Zulassung der neuen Bremstechnologie vorantreiben.« Zudem habe die Deutsche Bahn mit Bundeshilfe bereits viel Geld in Lärmschutz am Gleis investiert. Ab Dezember soll ein neues lärmabhängiges Trassenpreissystem Anreize zur Umrüstung von Waggons anderer Bahnen schaffen. Schließlich stellt die DB im Kampf der europäischen Güterbahnen nur einen Teil des Rollmaterials, das den Anwohnern den Schlaf raubt.

Vertreter der Bürgerinitiativen luden Ramsauer und Grube demonstrativ zur Übernachtung mit Weinprobe und Vier-Gänge-Menü in Hotels an der Bahntrasse ein. Derartige Geschenke dürften sie nicht annehmen, lehnten die Eingeladenen ab.

Werden den Worten Taten folgen? »Alles schon mal da gewesen«, so ein Initiativensprecher gegenüber »nd« skeptisch. Er erinnerte an eine ähnliche Veranstaltung und ähnliche Zusagen am selben Ort im Jahre 2007, die folgenlos geblieben sei: »Nur hieß damals der Minister Tiefensee und der Bahnchef Mehdorn.«

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