Fade? Schade

Pfade in die Zukunft

  • Martin Hatzius
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Neuankömmling - er braucht Orientierung im weitläufigen Geflecht der wimmelnden, schimmernden Messehallen. Dankbar greift er das Angebot auf, sie gewährt zu bekommen. »Pfandfinder« nennt sich ein Messerundgang, den das »Forum Zukunft« beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels organisiert. Wohin werden wir geführt? Jedenfalls nicht ins Gutenberg-Zeitalter. »Enhanced Future« ist der Rundgang untertitelt, erweiterte Zukunft. Orientierungspunkte sind die »Hot Spots«, die auf der Frankfurter Buchmesse seit drei Jahren eingerichtet werden, »Schaufenster für Innovationen«.

Station 1, das Non-Profit-Unternehmen »Sourcefabric«. Ursprünglich auf Dienstleistungen für den Journalismus spezialisiert, zielen die Softwareentwickler jetzt auch auf die Buchbranche. Präsentiert wird die Open-Source-Plattform »Booktype«, eine in der Basisversion kostenfreie Online-Hilfe zum Schreiben, Bearbeiten und Publizieren von Büchern und E-Books.

Auf den ersten Blick sieht das, was wir zu sehen bekommen, wie ein gewöhnliches Schreibprogramm aus. Allerdings befindet es sich nicht auf der Festplatte, sondern im virtuellen Raum. So, erklärt man uns, wird es möglich, dass mehrere Personen unabhängig von ihrem Aufenthaltsort gleichzeitig am selben Text arbeiten, ihn verfassen, korrigieren, mit der Chat-Funktion kommentieren können. Dieses »Work Flow Management Tool« sei für Verlage ein geeignetes Instrument, Arbeitsgänge zu beschleunigen, etwa beim Aktualisieren von Schulbuchinhalten. Im Handumdrehen ist der fertige Text in ein druck- oder E-Book-fähiges Format konvertiert.

Station 2, Snippy media, ein Anbieter von Apps für mobile Endgeräte. Auf der Buchmesse stellt man die Snippy-Kurzgeschichten-App vor. Durch Lizenzgeschäfte mit Verlagen erwirbt man die Rechte an Short Storys, produziert sie, sofern es sie noch nicht im Audioformat gibt, als Hörbuch und bietet sie schließlich zum Download fürs Smartphone an. 300 Kurzgeschichten sind mittlerweile verfügbar, Stückpreis: 79 Cent. Am Snippy-Messestand ist ein Auto geparkt, für dessen Entertainment-System die App jetzt optimiert worden ist. Heißt: Man wählt ein Genre (etwa »Krimi«), gibt sein Fahrtziel ins Navi ein und bekommt aus dem Menü automatisch einen literarischen Leckerbissen für unterwegs serviert, dessen Dauer der errechneten Fahrzeit entspricht. Fast Food fürs Ohr. Wem's schmeckt, warum nicht?

Station 3, der E-Book-Dienstleister »Zeilenwert«, richtet sein Angebot an kleine und mittlere Verlage, die ihre Bücher gern auch digital verkaufen wollen, denen es dafür aber an drei wesentlichen Voraussetzungen fehle: »Zeit, Know-how, Geld«. Den Programmierern scheint es daran nicht zu mangeln, sie bieten ihren Service kostenlos an. Erst beim Verkauf der fertigen Dateien kassieren sie eine Provision.

Station 4 schließlich führt uns in die Schule von morgen, in den »3D Cyber Classroom«. Hier werden Unterrichtsstunden in Bio, Chemie, Kunst, Maschinenbau, Mathe und Physik vor großen Flachbildschirmen gegeben, auf die man mit lustigen Brillen starrt. Visuelle Wissensvermittlung dreidimensional. Das »Klassenzimmer der Zukunft« ist erstmals auf der Buchmesse eingerichtet worden, in Zusammenarbeit mit einem Chemiekonzern, einem Schulmöbelhersteller und einem »Virtual Reality«-Dienstleister.

Uneigennütziges Bildungs-Sponsoring, von dem die Schulen schon morgen flächendeckend profitieren? Auf dem Nachbarpodium läuft parallel eine Podiumsdiskussion mit dem Titel: »Wirtschaft im Klassenzimmer und Hörsaal - Wer bestimmt die Bildungspolitik?« Schade, dass man nicht überall gleichzeitig sein kann. Noch nicht.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal