Wie gefährlich ist Indect?

Rainer Hammerschmidt protestiert mit der »Aktion Freiheit statt Angst«

  • Lesedauer: 3 Min.

nd: Herr Hammerschmidt, was wird bei Indect erforscht?
Hammerschmidt: Indect steht für »Intelligentes Informationssystem zur Unterstützung von Überwachung, Suche und Erfassung für die Sicherheit von Bürgern in städtischer Umgebung«. Die reale Welt soll dabei mit dem Internet verknüpft werden. Videokameras auf der Straße liefern Bilder an ein Rechenzentrum. Dann wird versucht, einen Menschen, der sich seltsam verhält, durch Gesichtserkennung zu identifizieren. Das geht, wie Facebook bewiesen hat, inzwischen sehr gut.

Wer interessiert sich für die Technik?
Indect ist ein Forschungsvorhaben der EU, aber für die Innenministerien, und wird der Polizei und den Geheimdiensten zur Verfügung stehen. Es sollte schon zur Europa-Fußballmeisterschaft einen Testlauf in Polen geben. Da hat aber die polnische Polizei nicht mitgespielt. Es mag sein, dass man zur EM nicht negativ auffallen wollte. Oder innerhalb der Polizei waren aufrechte Menschen, die gedacht haben, so kann man nicht mit anderen Leuten umgehen.

Wer ist denn verdächtig?
Es gibt die verrücktesten Annahmen zu abnormalem Verhalten. Zum Beispiel auf einer Bank länger zu sitzen als andere. Oder in der Bahn auf dem Fußboden zu sitzen. Wenn eben alle Sitzplätze besetzt sind und man eine längere Reise vor sich hat, ist das doch ganz normal, steht aber im Katalog des abnormalen Verhaltens. Es gibt zu Indect Videos auf YouTube, wo ein Mensch seinen Autoschlüssel fallen gelassen, sich gebückt und vielleicht ein bisschen danach gesucht hat. Das ist schon auffälliges Verhalten. Damit fällt er in ein Raster, da kann zehn Minuten später die Polizei da sein. Ist relativ sinnlos und wird ihm außer Ärger nichts bringen. Auch der Polizei nicht.

Worin besteht die Gefahr des Projekts?
Gefahr besteht für Unschuldige. Die politischen Parteien führen den Datenschutz nur im Mund. Die FDP-Initiative zum Arbeitnehmerdatenschutz zum Beispiel, das ist eher ein Verschlimmbesserungsgesetz. Und die CDU/CSU wehrt sich entschieden auf europäischer Ebene gegen eine Harmonisierung des europäischen Datenschutzes, obwohl sie in verbalen Aussagen natürlich das Gegenteil behauptet. Wir kommen da seit anderthalb Jahren nicht mehr voran.

Ist Indect einzigartig in Europa ?
Leider ist es nicht das einzige Projekt. Es umfasst einen Haushalt von 15 Millionen Euro, aber es gibt noch viel größere Projekte. Insgesamt gibt die EU 1,4 Milliarden Euro in sieben Jahren für die Sicherheitsforschung aus. Zum Beispiel für die Förderlinie »intelligente Überwachung und Grenzsicherheit«. Da sind ungefähr zehn, zwölf Projekte drin, die alle so im Rahmen von 40 Millionen liegen. Also viel Geld, das ausgegeben wird, um unsere Außengrenzen angeblich sicherer zu machen. Für die Leute, die in Booten nach Europa kommen, endet das dann nicht sicherer, sondern tödlich.

Was wollen Sie beim europaweiten Aktionstag gegen Indect an diesem Samstag erreichen?
Wir versuchen, mit der Demonstration aufzuklären. Damit man nach Auslaufen des Projekts nicht versucht, die Ergebnisse in die Realität zu überführen.

Fragen: Marlene Göring

Im Internet: aktion-freiheitstattangst.org

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