Teure Entlastung

Geplante Absenkung der Rentenbeiträge wird sich langfristig rächen

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Bundesregierung will den Rentenbeitrag im Wahljahr 2013 deutlich senken. Kritik an den Plänen kommt nicht nur von der Opposition.

Im September 2013 stehen Bundestagswahlen ins Haus. Dies sollte man im Hinterkopf haben, wenn der Bundestag am Donnerstag einen ungewöhnlichen Gesetzentwurf berät. Ungewöhnlich, weil die darin vorgesehene Absenkung des Rentenbeitrags normalerweise nicht per Gesetz festgelegt wird. Eine Änderung der Beitragshöhe ist im Sozialgesetzbuch vorgeschrieben, wenn die Reserven der Rentenversicherung 1,5 Monatsausgaben überschreiten. Weil die Konjunktur viel Geld in die Sozialkassen spült, wird die »Nachhaltigkeitsrücklage« Ende des Jahres wohl 28,8 Milliarden Euro betragen. Das entspräche etwa 1,66 Monatsausgaben der Rentenversicherung.

Es ist nicht das erste Mal, dass dieser Automatismus zum Tragen kommt. Doch bislang erließen die Bundesregierungen in so einem Fall stets eine Verordnung, für die eine Zustimmungspflicht des Bundesrates bestand. Doch dort hat Schwarz-Gelb keine Mehrheit. Zumal auch unionsgeführte Länder gegen die geplante Absenkung des Beitrags von 19,6 auf mindestens 19 Prozent protestiert hatten.

Und so behalf man sich mit einem Trick: Da die Beteiligungsrechte des Bundesrates in einem Gesetzgebungsverfahren schwächer sind, beschloss das Kabinett bereits Ende August das »Beitragssatzgesetz«. Wie die Anhörung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales am Montag deutlich machte, hätte Schwarz-Gelb die Verordnung nie durch die Länderkammer bekommen. Die Opposition ist geschlossen gegen die Absenkung und legte stattdessen eigene Gesetzentwürfe vor. Die SPD will einen »Demographie-Fonds«, um die Beiträge langfristig stabil zu halten. Die LINKE wiederum möchte das Geld für Leistungsverbesserungen nutzen.

Vernichtende Kritik am Gesetzentwurf kam vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). »Ordnungspolitisch bedenklich« sei das Vorgehen und berge die Gefahr »politischer Willkür«, so der DGB. Bevor nicht der Schätzerkreis Rentenfinanzen seine endgültigen Zahlen vorgelegt hat, kann die Beitragshöhe nicht ermittelt werden. Bislang gibt es aber kein abschließendes Ergebnis. Trotzdem wird sich der Bundestag am Donnerstag mit dem Gesetzentwurf befassen, der einen Beitragssatz von 19 Prozent vorsieht. Sollte der Schätzerkreis später andere Zahlen präsentieren, könne das Gesetz »per Änderungsantrag« nachjustiert werden, heißt es im Entwurf. Offenbar muss der Gesetzgeber wirklich nachjustieren. Wie das Bundesarbeitsministerium am vergangenen Freitag durchblicken ließ, könnte der Beitrag gar auf 18,9 Prozent absinken. In diesem Fall ergäben sich Einsparungen von etwa 6,3 Milliarden Euro.

Da sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Beiträge zur Rentenversicherung teilen, würde die deutsche Wirtschaft mehr als drei Milliarden Euro pro Jahr sparen. Ein Vertreter der Arbeitgeberverbände bezeichnete die Absenkung im Ausschuss deshalb als konjunkturbelebende Maßnahme. Staatssekretär Ralf Brauksiepe (CDU) betonte, dass auch der Bund mehr als eine Milliarde Euro jährlich einspare, weil die staatlichen Zuwendungen mit den Rentenbeiträgen sinken würden.

DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach betonte, dass die Ersparnis für den Durchschnittsverdiener bescheiden ausfalle: ganze 7,80 Euro im Monat. »Die Entlastung ist teuer erkauft«, warnte Buntenbach. Denn die Regelungen zur Nachhaltigkeitsrücklage sehen zwei Schwellen vor: eine obere und eine untere. Sollten die Reserven auf weniger als 0,2 Monatsausgaben abschmelzen, muss der Beitrag erhöht werden. Sollte die Absenkung tatsächlich erfolgen, könnte dies schon 2019 der Fall sein. Dann müsste der Beitragssatz auf mehr als 20 Prozent steigen. Und bei diesem Szenario sind konjunkturelle Einbrüche noch gar nicht berücksichtigt.

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