Bittere Milch aus Brüssel

Kolumbianische Milchbauern leiden unter dem Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 3 Min.
Die ersten Auswirkungen des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Kolumbien sind auf der Hochebene von Bogotá schon zu spüren. Die Preise für Frischmilch sinken, weil sich die Molkereien auf EU-Milchpulver aus Lagerbeständen einstellen. Ein Dilemma für Kleinbauern, auf das die Gewerkschaften schön frühzeitig aufmerksam machten.

»Manchmal geht es deutlich zu schnell. Den kolumbianischen Produzenten bleibt kaum Zeit, um sich auf den veränderten Wettbewerb einzustellen«, erklärt Daniel Fernández. Der Vorsitzende von Siemens in der Andenregion hat bei seiner Analyse zwar weniger das EU-Freihandelsabkommen mit Kolumbien im Sinn, sondern eher solche mit Korea oder das kommende mit der Türkei, aber das EU-Abkommen wirft seinen Schatten bereits voraus.

»Unsere Bauern haben von dem Abkommen nichts Gutes zu erwarten«, erklärt Tarsicio Mora vom Gewerkschaftsdachverband CUT. Dessen Experten haben schon frühzeitig begonnen, die Auswirkungen des Abkommens zu analysieren und haben auch darauf gedrängt, längere Übergangsfristen sowie Paragrafen für den Schutz von Arbeits- wie Menschenrechten einzuführen. Mit begrenztem Erfolg. »Freihandelsabkommen erleichtern schließlich nicht per se den Handel, sondern werden von den mächtigen Nationen diktiert. So wird die Welt quasi neu aufgeteilt in Handelsräume und Einflusssphären, wobei die kleinen Unternehmen, Händler und Bauern unter die Räder kommen«, erklärt der Gewerkschafter, der bei der CUT für internationale Beziehungen verantwortlich ist.

»Wir als Arbeiter wenden uns nicht gegen Handelsverträge, denn die Güter sollen und müssen ausgetauscht werden, aber wir kritisieren, dass es ungleiche Bedingungen gibt. In Ländern wie den USA und Japan und in der EU werden die Bauern systematisch unterstützt. So etwas gibt es in Kolumbien nicht - der Handel findet also unter unfairen Bedingungen statt und unsere Bauern bekommen das bereits zu spüren«, so der 61-jährige Arbeitervertreter.

Ein Beispiel sind die Milchbauern Kolumbiens. Auf der Sabana de Bogotá, der Hochebene um Kolumbiens Hauptstadt, gibt es noch etliche Dörfer, die von der Landwirtschaft leben. Die Bauern haben oft nur ein paar Hektar Land, halten ein paar Kühe und leben von dem Verkauf der Milch und der Anbauprodukte. Lange wird das aber nicht mehr funktionieren, denn schon jetzt gehen in Bogotá und anderen Städten des Landes die Preise für Frischmilch zurück. Die Molkereien bereiten sich auf die EU-Milchschwemme vor, erklären kritische Abgeordnete wie Jorge Robledo vom Polo Democratico Alternativo. Zu Recht, denn mit der Implementierung des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Kolumbien bekommen die EU-Bauern einen neuen Markt für Millionen Liter Milch. Exakt sind es sechzig Millionen Liter Milch, die jährlich zollfrei in das Lateinamerikanische Land eingeführt werden können - in Form von Milchpulver und höherwertigen Produkten, heißt es in Brüssel. Das damit die Existenz von rund 500 000 kolumbianischen Milchbauern gefährdet ist, spielt aus EU-Perspektive scheinbar keine Rolle. Das Überangebot an heimischer Milch und Butter muss weg, und dafür wird subventionierte Milch aufgekauft, zu Milchpulver verarbeitet und dahin exportiert, wo manchmal sogar die Milchwirtschaft erst mit Entwicklungshilfegeldern aufgebaut wurde - in Indien zum Beispiel, aber eben auch in Kolumbien. Unfair ist das aus Sicht von Tarsicio Mora - mit den Europäischen Hightechkühen kann die kolumbianische Durchschnittskuh eben nicht mithalten. Während die eine im Durchschnitt rund zwanzig Liter Milch gibt, ist es bei der anderen nur knapp ein Viertel.

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