Vom Mogul zum Clown

Berlusconi wehrt sich gegen Verurteilung

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.
Erst kündigt Silvio Berlusconi seinen Rückzug aus der Politik an, dann wird er wegen Steuerbetrug verurteilt und schließlich meldet er sich mit einer Pressekonferenz wieder auf der politischen Bühne zurück - alles innerhalb von nur drei Tagen.

Silvio Berlusconi, bis vor einem Jahr Ministerpräsident von Italien, hat den Fiskus betrogen, muss für vier Jahre ins Gefängnis und darf fünf Jahre lang keine politischen Ämter mehr bekleiden. Das hat ein Mailänder Gericht verkündet. Allerdings ist das Urteil noch nicht rechtskräftig, die Strafen werden ausgesetzt, bis alle Instanzen ausgeschöpft sind. Berlusconis Anwälte kündigten bereits an, Berufung einzulegen. Ins Gefängnis muss der 76-jährige wohl aber allein schon deshalb nicht, weil die ihm vorgeworfene Straftat 2014 verjährt und niemand daran zweifelt, dass es seinen Anwälten gelingen wird, den Prozess noch einmal in die Länge zu ziehen.

Berlusconi kündigte erst am Mittwoch seinen Rückzug aus der aktiven Politik an. Nach dem Urteil erfolgte der sofortige Rückzug vom Rückzug. In einer surreal anmutenden Pressekonferenz meldete sich der Medienmogul am Samstag mit einer Schimpftirade auf alle und jeden zurück. Nur ein Auszug: An Italiens finanzieller und wirtschaftlicher Schieflage seien der Euro, Deutschland mit seinem Herrschaftswillen in Europa und die italienische Verfassung Schuld; Angela Merkel und Nicolas Sarkozy hätten Berlusconis internationale Glaubwürdigkeit mit ihrem »Gekichere« zerstört, was man als »politischen Mord« bezeichnen könne; Mario Monti - Berlusconis Nachfolger als Regierungschef - sei »Knecht der Deutschen«. Des Weiteren beschimpfte Berlusconi erneute eine »kriminöse« Justiz und erklärte, er müsse »aus Liebe zu Italien« weiter aktiv Politik machen, weil im Land eine »Diktatur der Justiz« herrschen würde. Ministerpräsident wolle er aber nicht noch einmal werden.

In der Partei Berlusconis herrscht nun das blanke Chaos. Wer hat im »Volk der Freiheit« das Sagen? Will man die Monti-Regierung zu Fall bringen und möglichst bald Neuwahlen, bei denen man sich erneut mit dem ehemaligen Koalitionspartner der faschistischen Lega Nord präsentiert? Oder sollte man nicht doch versuchen - so hieß es noch vor wenigen Tagen -, die moderaten Zentrumskräfte in Italien zu sammeln, was mit Berlusconi an der Spitze wohl unmöglich ist?

Die Reaktionen der anderen Parteien sind eindeutig. Anna Finocchiaro, Fraktionsvorsitzende der Demokraten im Senat, spricht von einer »kaputten Schallplatte«, Antonio Di Pietro (Italien der Werte) von einem »traurigen Spektakel«. Gianfranco Fini, Vorsitzender der Abgeordnetenkammer, Ex-Faschist und lange Verbündeter von Berlusconi, bezeichnet die Tirade als »autoritäres und antieuropäisches Manifest«. Den ersten Reaktionen im Internet zufolge sehen die meisten Italiener Berlusconi inzwischen nur noch als »komischen, zu oft gelifteten Clown«, den man nicht mehr ernst nehmen kann.

Die Regierung schweigt. Hinter den Kulissen ist man aber beunruhigt, ob der Auswirkung der »Hasspredigt« von Berlusconi auf das Ansehen Italiens insbesondere auf den Finanzmärkten.

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