Massenweise Kündigungen

Arbeitgeber »Werkstatt Frankfurt« mag keine Tarifverträge und Betriebsräte

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
In einer seit Jahren anhaltenden Auseinandersetzung setzt die Geschäftsführung der kommunalen Beschäftigungsgesellschaft Werkstatt Frankfurt e.V. (WF) weiterhin darauf, kritische Gewerkschafter und Betriebsräte loszuwerden.

Die Konfrontation zwischen der Werkstatt Frankfurt (WF) und kritischen Gewerkschaftern dürfte auch in den kommenden Monaten die Gerichte in der Mainmetropole beschäftigen. Zwar errang der bei der Geschäftsleitung in Ungnade gefallene Schwerbehindertenvertreter Christoph Kappel vor wenigen Wochen einen Etappensieg, als das Frankfurter Arbeitsgericht den Antrag der WF auf seine außerordentliche, fristlose Kündigung ablehnte. Zuvor hatte der Betriebsrat seine Zustimmung verweigert. Doch dem Vernehmen nach wollen die WF-Leitung und ihr Chef Conrad Skerutsch in Berufung gehen.

Betriebsrat unbequem

Der gelernte Sozialversicherungskaufmann Kappel ist seit 2000 als Personalsachbearbeiter in der WF tätig und seit Jahren als Betriebsratsmitglied und Schwerbehindertenvertreter engagiert. Skerutsch wirft ihm vor, er habe sich im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit in der Schwerbehindertenvertretung bei seinen Vorgesetzten wiederholt nicht ordnungsgemäß abgemeldet und die Auskunft darüber verweigert, in welchen Betriebsteilen der WF im Frankfurter Stadtgebiet er im Einsatz gewesen sei. Das Arbeitsgericht sieht darin keinen außerordentlichen Kündigungsgrund.

Ein Auslöser des Konflikts war eine Wortmeldung Kappels und einer weiteren Betriebsrätin bei einer öffentlichen Veranstaltung der Frankfurter Grünen 2007. Beide wollten von dem örtlichen Grünen-Politiker Markus Bocklet in seiner Eigenschaft als ehrenamtliches Vorstandsmitglied der WF wissen, warum er im Jahre 2004 seine Zustimmung zum Ausstieg aus der Bindung an die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst und zur Kündigung von Angestellten gegeben habe. Damals wurde die WF zu einer tarifvertragsfreien Zone. Weil sie seither für neu Eingestellte keinen Tariflohn zahlt, spart sie Jahr für Jahr eine Million Euro ein, haben Insider nachgerechnet.

Ein Versuch der WF-Geschäftsführung, 2004 gut 30 Beschäftigte, darunter auch Betriebsräte, per Massenentlassung loszuwerden, war am Widerstand der Betroffenen und einem Formfehler gescheitert. Alle Kündigungen wurden für unwirksam erklärt. Nur wenige Beschäftigte verließen die WF mit einer Abfindung in der Tasche.

Gescheiterte Kündigungen

Bocklet war über die Frage erzürnt und meldete diese »Störung« seiner Veranstaltung der WF-Geschäftsführung. Dies löste eine außerordentliche Kündigung der beiden Fragesteller aus. Sie klagten erfolgreich. Im Sommer 2008 bestätigte das Arbeitsgericht das Recht der beiden Betriebsratsmitglieder, sich auch im Rahmen einer öffentlicher Veranstaltung kritisch zu innerbetrieblichen Vorgängen zu äußern.

Kappel und seine Mitstreiter hatten schon 2004 vor den Folgen der Hartz-Gesetze für Langzeitarbeitslose und dem davon ausgehenden Druck auf das Lohnniveau und Arbeitnehmerrechte gewarnt. Knapp ein Jahr vor Inkrafttreten von Hartz IV setzte die WF damals in einem Akt vorauseilenden Gehorsams erste »Ein-Euro-Jobber« ein. Inzwischen ist die WF vom Instrument der »Ein-Euro-Jobs« weitgehend abgekehrt und sucht sich zur Sicherung ihrer Zukunft andere »Geschäftsfelder« wie etwa eine umfassende Beratung rund um den Arbeitsmarkt.

»Der Christoph ist der Geschäftsleitung als das lebende Gedächtnis in der WF ein Dorn im Auge und soll daher eliminiert werden«, beschreibt ein Insider die Triebfeder des Konflikts, der in den nächsten Monaten vor dem Landesarbeitsgericht ausgetragen werden dürfte. Aufgeben will Kappel nicht.

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