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Widerstand gegen den »Ayraultport«

Traktoren schützen Camp der Gegner des Flughafenbaus bei Nantes gegen die Polizei

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Widerstand gegen den geplanten Bau eines Großflughafens in Notre-Dame-des-Landes bei Nantes geht ungebrochen weiter, obwohl die Regierung ihre Pläne mit Polizeigewalt durchzusetzen versucht.

Glühendster Verfechter des Großflughafens ist der ehemalige Bürgermeister von Nantes, Frankreichs derzeitiger Regierungschef Jean-Marc Ayrault. Gegner des Projekts sprechen deshalb vom »Ayraultport«. Nachdem vor zehn Tagen nach Angaben der Organisatoren 40 000 Menschen an Ort und Stelle gegen den umstrittenen Bau demonstriert und die von der Polizei verwüsteten Holzhütten des »Basiscamps« der Protestler wiederaufgebaut hatten, kamen am vergangenen Wochenende mehr als 200 Gendarmen mit schwerem Gerät, um auch das neue Camp wieder zu zerstören. Bei dieser Gelegenheit wurden auch einige von ihren enteigneten Bewohnern längst geräumte und seither von Protestlern besetzte Bauernhäuser abgerissen.

Die so um ihre Unterkünfte beraubten Flughafengegner mobilisierten innerhalb weniger Stunden nahezu 8000 Anhänger, die im nahen Nantes eine spontane Demonstration veranstalteten und auf einer großen Straßenbrücke über die Loire zeitweise den Verkehr blockierten. Unterdessen kam es in den Wäldern und auf den Straßen um Notre-Dame-des-Landes zu teilweise schweren Zusammenstößen zwischen der Polizei und entschlossenen Protestaktivisten, die mit Steinen und Brandsätzen warfen und dabei einige Polizisten verletzten. Die Uniformierten ihrerseits setzten dagegen Tränengas und Hartgummigeschosse ein. Acht Teilnehmer der Proteste wurden vorübergehend verhaftet.

Nachdem die Polizei am Sonntagabend abgezogen war, begann der »harte Kern« der Protestler sofort mit dem Wiederaufbau der Hütten. Das Lager wird jetzt durch einen Ring aus mehr als 40 durch Ketten miteinander verbundenen Traktoren gegen neuerliche Angriffe der Polizei abgeschirmt. Die Fahrzeuge gehören Bauern der Umgebung, die durch den Flughafenbau von Enteignung bedroht sind und sich den Protesten angeschlossen haben. »Bei Bedarf können wir innerhalb kürzester Zeit 300 weitere Traktoren herbeibeordern«, erklärte einer von ihnen am Montagvormittag auf einer improvisierten Pressekonferenz auf freiem Feld.

Die von der Regierung am Wochenende angekündigte Verschiebung des Baubeginns um sechs Monate und die Bildung einer »Dialog-Arbeitsgruppe« zusammen mit »allen interessierten Seiten« wurden als »Ablenkungsmanöver« bezeichnet. Die Vereinigungen, die sich gegen den Bau des Flughafens wenden, wollen mit den Vertretern der Regierung erst reden, wenn die Polizei abgezogen ist und ihr neuerlicher Einsatz ausgeschlossen wird. Sie fordern »nicht nur eine grüne Ausschmückung«, sondern den Verzicht auf das Bauprojekt, dem 2000 Hektar Acker geopfert werden sollen, das drei Milliarden Euro kosten soll und dessen Notwendigkeit von vielen Verkehrsexperten bestritten wird. Dagegen hat Regierungssprecherin Najat Vallaud-Belkacem am Sonntagnachmittag noch einmal erklärt, dass der neue Großflughafen »auf jeden Fall« 2017 in Betrieb genommen wird: Er soll den jetzigen Flughafen von Nantes ersetzen. Die Regierung suche den Dialog mit den Bauern und anderen Betroffenen, die »verständliche Einwände« hätten. Sie sei aber entschlossen, weiter gegen »gewaltbereite« Kräfte vorzugehen, denen es ganz offensichtlich vor allem um eine Konfrontation mit dem Staat gehe und »die sich dabei bezeichnenderweise vermummen«.

Die Zuspitzung der Auseinandersetzungen um den Flughafenbau in Notre-Dame-des-Landes bringt die Grünenpartei Europe Ecologie (EE-LV) als Teil der Regierungskoalition in eine schwierige Lage. Während der sozialistische Innenminister Manuel Valls den massiven Einsatz der Polizei gegen die Proteste verteidigt, enthalten sich die beiden grünen Minister in der Regierung jeder Stellungnahme. Einige Spitzenpolitiker der EE-LV wie Senator Jean-Vincent Place und der Abgeordnete Noel Manère denken bereits laut über einen demonstrativen Rücktritt ihrer beiden Minister und den Austritt aus der Koalition nach. Präsident François Hollande hat sich mit dieser Eventualität bereits beschäftigt - und abgefunden. Ein solcher Schritt wäre »nicht wünschenswert, aber auch nicht dramatisch«, ließ er verbreiten.

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