Warten auf Tauwetter

Aufmerksam verfolgt Russland die georgische Politik nach dem Regierungswechsel

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Verhältnis zwischen Russland und Georgien, seit dem Kaukasuskrieg 2008 tiefgefroren, ist seit dem Regierungswechsel in Tbilissi immer wieder Diskussionsthema in Moskau. Kommt es zum Tauwetter?

Moskau werde die »realen Entwicklungen in Tbilissi aufmerksam verfolgen« und auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse eine Entscheidung über die Ausdehnung der bilateralen Kontakte treffen. So jedenfalls sagte es Vizeaußenminister Grigori Karassin in einem Interview für die regierungsnahe Moskauer Nachrichtenagentur Interfax.

Bei den Parlamentswahlen Anfang Oktober in Georgien hatte das oppositionelle Wahlbündnis Georgiens Traum die Partei des Präsidenten Michail Saakaschwili besiegt. Seither stellt es den Regierungschef, den Multimilliardär Bidsina Iwanischwili, der seinen Reichtum in Russland erworben und die Normalisierung der Beziehungen zum großen Nachbarn zu einer der Prioritäten seiner Außenpolitik erklärt hat. In einer seiner ersten Amtshandlungen ernannte Iwanischwili einen Freund Moskaus zum Sonderbeauftragten für die Beziehungen zu Russland: Surab Abaschidse war früher bereits Botschafter Georgiens in Russland.

Bidsina Iwanischwili, stellte auch der russische Regierungschef Dmitri Medwedjew gegenüber der Wirtschaftszeitung »Kommersant« fest, gehöre einer anderen Generation von Politikern an als Präsident Saakaschwili. Der hatte nach dem Krieg mit Russland 2008 die diplomatischen Beziehungen zu Moskau abgebrochen, sodass die Schweiz derzeit beide Staaten beim jeweils anderen vertritt. Signale zur Wiederanbahnung von Beziehungen, wie sie jetzt aus Tbilissi kommen, erklärte Medwedjew weiter, verfolge man daher mit Aufmerksamkeit.

Es war Medwedjew, damals noch Präsident Russlands, der im August 2008 Moskaus Soldaten den Befehl zum Einmarsch in Südossetien erteilte, um den Separatisten im Kampf gegen die georgische Armee beizustehen. Saakaschwili hatte die Region, die sich bereits Anfang der 90er Jahre für unabhängig erklärt hatte, wieder unter das Dach der georgischen Verfassung zwingen wollen.

Südossetien und die Schwarzmeerrepublik Abchasien, die sich kurz nach dem Ende der Sowjetunion 1991 ebenfalls in die Unabhängigkeit von Georgien verabschiedete, sind derzeit das Haupthindernis für die Normalisierung der russisch-georgischen Beziehungen. Tbilissi betrachtet beide Regionen weiterhin als Teile Georgiens und wird darin vom Westen unterstützt. Moskau dagegen hielt von Anfang an zu den Separatisten, erkannte nach dem Krieg beide Regionen als unabhängige Staaten an, muss sie aber zwangsläufig wie Protektorate behandeln. Bei den Genfer Verhandlungen über die Sicherheit im südlichen Kaukasus, die der Lösung der Konflikte dienen sollen, bewegten sich beide Seiten bisher nicht einmal im Millimeterbereich aufeinander zu.

Weniger verhärtet sind die Fronten bei der Zusammenarbeit im humanitären und wirtschaftlichen Bereich. Zwar hatte Moskau schon im Herbst 2006 eine Wirtschaftsblockade über Georgien verhängt und das Verbot der Einfuhr georgischer Weine offiziell mit Qualitätsmängeln begründet. Schon damals waren politische Motive als eigentlicher Grund zu vermuten: Tbilissi drängte - und drängt noch heute - in westliche Strukturen wie die NATO und die EU. Dieser Tage konnte sich Russland oberster Verbraucherschützer Gennadi Onnischtschenko immerhin eine Rückkehr georgischer Weine auf den russischen Markt vorstellen.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.