Jugendliche wollen Selbstverwaltung

Nach dem Abriss eines Jugendtreffs in Bad Segeberg kämpfen die einstigen Nutzer für Ersatz

  • Dieter Hanisch, Bad Segeberg
  • Lesedauer: 3 Min.
In der jahrelangen Auseinandersetzung um ein unabhängiges Jugendzentrum hat sich die Stadt durchgesetzt. Die Jugendlichen wollen jedoch nicht aufgeben und den anstehenden Kommunalwahlkampf nutzen.

Selbstverwaltete Jugendarbeit ist in Bad Segeberg seit dem 1. November Geschichte. Der letzte Treff im früheren »Hotel am Kalkberg« (HaK) fiel dem Abrissbagger zum Opfer. Dort sollen Parkplätze entstehen. Ein Ersatzangebot ist von der Stadt nicht vorgesehen. Mit der beliebten Skaterbahn lief es 2010 ebenso - Ersatz bis heute Fehlanzeige. Die betroffenen Jugendlichen wollen sich aber nicht einfach auf die Straße setzen lassen. Im Mai 2013 sind Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein und Segebergs Lokalpolitiker werden sich bis dahin gute Argumente für ihre starrsinnige Haltung bei diesem Thema bereitlegen müssen.

Ein Jugendzentrum in konzeptioneller Eigenverantwortung ist quer durch alle Fraktionen in der Stadtvertretung nicht erwünscht. Sie setzen auf die Betreuung von Jugendlichen im Zuge der Ganztagsschule - die Billiglösung angesichts einer verschuldeten Haushaltskasse - sowie auf organisierte Jugendarbeit von Stadt und Verbänden.

Wer etwas anderes will, wird kriminalisiert. Ein martialisches Polizeiaufgebot wurde am Wochenende aufgeboten, um eine friedliche Demonstration mit knapp 300 Teilnehmern zu begleiten, Hundestaffel und Wasserwerfer waren in Bereitschaft. Bei der Zwischenkundgebung am ehemaligen Jugendtreff erinnerte eine Mütterinitiative, die die Jugendlichen in ihrem Kampf für einen alternativen Freiraum unterstützt, an den unverhältnismäßigen Polizeieinsatz bei der Räumung des »Hak«. Acht Jugendliche hatten sich aus Protest in dem Haus eingeschlossen und wurden von der Polizei mit Gewalt herausgetragen. Die Protestierenden werfen den Beamten vor, sie im Polizeigriff durch am Boden liegende Scherben geschleift zu haben. Das Vorgehen einzelner Beamter sei derart rabiat gewesen, dass Kollegen mäßigend eingegriffen hätten. Eine anschließende Mahnwache vor dem Rathaus endete mit einer polizeilichen Festnahme und einem Pfeffersprayeinsatz samt Knüppelorgie.

Leerstehende Immobilien für eine autonome Jugendkultur gäbe es durchaus in der 16 000-Einwohner-Stadt. Allein der Wille, sich darauf einzulassen, fehlt. Die Stadtverwaltung folgt ihrem SPD-Bürgermeister Dieter Schönfeld, der in gute und schlechte Jugendkultur sortiert und den ihm nicht wohlgesonnenen Teil regelrecht bekämpft.

Einer seiner Vorgänger, Udo Fröhlich, ebenfalls mit SPD-Parteibuch, praktizierte genau das Gegenteil. Er war es, der den unabhängigen jungen Leuten das »HaK« als Spielwiese für gelebte Demokratie zur Nutzung überließ. Auch die Jusos stehen auf der Seite der »HaK«-Jugendlichen. So nahm der Landesvorsitzende der SPD-Jugendorganisation Alexander Wagner an der Demonstration am Wochenende teil. Er kritisierte, dass die Stadt an der Jugend spare und stattdessen ihr Hauptaugenmerk auf teure touristische und wellnessorientierte Leuchtturmprojekte richte. Auch der Kreisverband der LINKEN appelliert an die Stadtspitze in Bad Segeberg, selbstverwaltete Jugendarbeit als Bereicherung zu verstehen.

Die Auseinandersetzung um das »HaK« war ein jahrelanges zähes Ringen. Zuletzt wurden sogar die Gerichte bemüht. Die Jugendlichen hatten erstmal das Nachsehen, doch sie wollen weiter für ihre Interessen und ein eigenständiges Jugendzentrum eintreten. Sie betonen dabei ihre Gesprächsbereitschaft. Doch das hilft wenig, wenn sich niemand mit ihnen an einen Tisch setzen möchte.

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