Element einer demokratischen Geldordnung

  • Christian Felber
  • Lesedauer: 4 Min.
Christian Felber ist Universitätslektor und Mitbegründer von Attac Österreich. Anfang des Jahres erschienen von ihm die Bücher »Retten wir den Euro!« und als erweiterte Neuausgabe »Die Gemeinwohl-Ökonomie«.
Christian Felber ist Universitätslektor und Mitbegründer von Attac Österreich. Anfang des Jahres erschienen von ihm die Bücher »Retten wir den Euro!« und als erweiterte Neuausgabe »Die Gemeinwohl-Ökonomie«.

Die Vollgeld-Initiativen in der Schweiz und Deutschland haben einen wichtigen Impuls zum Überdenken der gegenwärtigen Geldordnung geleistet. Die Kritik der Vollgeld-Befürworter entzündet sich an der Praxis der Geldschöpfung der kommerziellen Banken, die damit einhergehende Erhöhung der Geldmenge und die Einstreichung der Geldschöpfungsgewinne durch private Interessengruppen.

Im gegenwärtigen Regime der »Giralgeldschöpfung« können private Banken neue Kredite »aus dem Nichts schöpfen« (d. h. ohne dass sie durch Zentralbankgeld gedeckt wären) und auf Girokonten gutschreiben, was die Bankbilanz »verlängert« und die Geldmenge erhöht. Der Gewinn dieser Praxis bleibt bei der Bank. Das ist eine Seite des Problems. Die andere Seite: In den letzten zwei Jahrzehnten wurde immer mehr privates Vermögen nicht »real« in Unternehmen und Produktion investiert, sondern in Wertpapiere und deren Finanzierung und »Hebelung« über Kredite (»Finanzialisierung«). Auf diese Weise trägt die Geld- und Kreditschöpfung durch private Banken zu Spekulation, Blasenbildung und Krisen bei. Allerdings, und hier haben Vollgeld-Skeptiker und -Skeptikerinnen wie Rudolf Hickel recht, liegt das nicht am Akt der Geldschöpfung durch Geschäftsbanken per se, sondern genauso an der Zulässigkeit von Finanzinvestments und kreditfinanzierter Spekulation.

In einem Vollgeld-Regime - definiert durch die Deckung aller Kredite durch Zentralbankgeld - wäre zwar das Wachstum der Geldmenge begrenzt (bzw. es würde von der Zentralbank allein gesteuert), nicht jedoch das Kreditwachstum! Das liegt daran, dass das private Geldvermögen im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt kontinuierlich steigt und damit die Möglichkeit der Banken, Geld zu verleihen, das »schon existiert« und nicht aus dem Nichts geschöpft wird. Die Finanzspekulation könnte somit auch im Vollgeld-Regime nicht nur munter weitergehen, sondern sogar weiter zunehmen - es wären bloß die (Hebel-)Kredite an Finanzinvestoren auf der Aktivseite der Bankbilanzen vollständig durch »echtes« Zentralbankgeld auf der Passivseite gedeckt - anstatt teilweise nur durch Giroguthaben.

Was lernen wir daraus? Auch im Vollgeld-Regime müsste die Kreditvergabe reguliert werden, wenn man Spekulation, Blasenbildung und Krisen verhindern möchte. Auf dieses Problem liefert das junge Modell der Gemeinwohl-Ökonomie eine Antwort: Alle Unternehmen müssen neben der Finanzbilanz eine Gemeinwohl-Bilanz erstellen, und jedes Investitionsvorhaben müsste zudem die »Gemeinwohl-Prüfung« bestehen, um zu einem Kredit zu kommen. Finanzkredite würden hier konsequent durchfallen. Das Kasino wäre geschlossen.

Hickel kritisiert das Vollgeld in einem anderen Punkt als »hundsgefährlich«, weil die Zentralbank im Krisenfall den Unternehmen über die Banken keine höhere Liquidität zur Verfügung stellen könnte, er befürchtet eine Konjunkturbremse. Dazu ist erstens zu sagen, dass die überreiche Liquidität, mit der die Zentralbank in der gegenwärtigen Krise die Privatbanken »flutet«, nicht bei den Unternehmen ankommt, sondern sogar im Gegenteil die überfluteten Banken den Unternehmen den Geldhahn zudrehen und stattdessen mit dem billigen Zentralbankgeld lieber wohlfeil spekulieren. Zum anderen hat Hickel den Vollgeld-Vorschlag möglicherweise falsch verstanden. Die Zentralbank könnte in der Krise nach meinem Verständnis des Vollgeldes weiterhin günstige Kredite an die Geschäftsbanken geben. Zudem könnte die Zentralbank in einem Vollgeld-Regime auch anders konjunktursteuernd wirken, indem sie in Krisenzeiten dem Staat größere Geldgeschenke macht als in Zeiten guter Konjunktur - allein dieser Aspekt, dass der Geldschöpfungsgewinn der Allgemeinheit zugute kommt und nicht privaten Banken, spricht für das Vollgeld. Drittens könnten Zentralbanken in Krisenzeiten über öffentliche Banken den Unternehmen die nötige Liquidität zur Verfügung stellen. Die Kombination von Geld-, Fiskal- und Finanzpolitik ist nicht grundsätzlich des Teufels, sondern es kommt darauf an, welches gezielte Mandat die Zen-tralbank erhält und wer dort die Entscheidungen trifft.

Das Wichtigste bei all diesen Fragen ist, dass über das Geldsystem viel mehr und demokratisch diskutiert werden sollte. Zum Beispiel in demokratischen Geldkonventen, in denen die Regeln, nach denen Geld in Umlauf kommt und zu welchen Bedingungen Kredite vergeben werden dürfen, demokratisch festgelegt werden. Die zwei Jahre junge Bewegung der Gemeinwohl-Ökonomie beginnt gerade, demokratische Wirtschaftskonvente auf kommunaler Ebene zu organisieren. In diesen könnten auch zentrale Geldfragen mitbehandelt oder eigene Konvente zur Geldordnung organisiert werden.

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