Wenn das Auto mit der Ampel spricht

Bayerische Projekte zum Verkehr der Zukunft

  • Rudolf Stumberger, München
  • Lesedauer: 4 Min.
Bayern gilt als eine der europäischen Verkehrsdrehscheiben, das Verkehrsaufkommen gerade bei Autos wächst weiter. Wie lassen sich die damit verbundenen Probleme bewältigen?

Für die Münchner liegen sie quasi vor der Haustür und sind bei Föhn in voller Pracht zu sehen: die bayerischen Berge. Und wenn am Wochenende der Wanderer mit dem Auto anfährt, wartet auf ihn zunächst der Stau - längst schon obligatorisch etwa am Ende der A 95 in Garmisch-Partenkirchen. Dabei wird das Verkehrsaufkommen weiter wachsen, beim Güterverkehr auf der Straße bis 2025 um ein Drittel. Deshalb wird zur Zukunft des Verkehrs auch fleißig geforscht, getagt und an Lösungen gearbeitet. Denn »der Freistaat ist als europäische Verkehrsdrehscheibe besonders belastet«, meint etwa Alexander Kreipl, Leiter Verkehr und Umwelt beim ADAC Südbayern. Rollen hier doch Güter und Touristen in den Süden.

Und diese Belastung wird in Zukunft nicht weniger werden, ganz im Gegenteil. Doch wie können die damit verbundenen Probleme bewältigt werden, ohne die Mobilität einschränken zu müssen und ohne Umwelt- und Klimaschutz zu vernachlässigen? Antworten suchte unlängst auch eine Tagung in München. Unter dem Titel »Verkehr der Zukunft« plädierte etwa Prof. Herbert Sonntag von der TH Wildau für eine »Grüne Logistik«. Dies beinhalte sowohl energiesparende Lkw-Technologie wie verstärkte Fahrerschulung als auch eine Verbesserung der Auslastung durch Einsatz von Informationssystemen. Grüne Logistik sei dabei als Chance für die Transportunternehmer zu sehen, sie werde zu einer Frage der Wettbewerbsfähigkeit.

Auf der Tagung kamen diverse Lösungsansätze in Bayern zur Sprache. Dazu gehört die jüngst in München debattierte City-Maut nach Londoner Vorbild. Das Konzept der Verkehrsvermeidung steckt auch hinter der Einrichtung eines »Musterpendlerparkplatzes« im Nordwesten von München durch ADAC und IHK. Die Bürger sollen damit animiert werden, Fahrgemeinschaften zu bilden und ihr Auto an ausgewiesenen Pendlerparkplätzen abzustellen.

Surfen auf Grüner Welle

Bayerns Autobauer sehen den Personenverkehr der Zukunft vor allem auch als eine intelligente Vernetzung der Verkehrsteilnehmer, bei der zum Beispiel das Auto mit anderen Autos Daten austauscht. Diese Kommunikation soll auch über Ampelanlagen und Verkehrsleitstellen laufen. »Travolution« lautete der Name eines Entwicklungsprojektes des Ingolstädter Autoherstellers Audi, das die Kommunikation von Fahrzeug und innerstädtischen Ampelanlagen zum Inhalt hatte. Künftig, so hieß das Projektziel, soll der Autofahrer aufgrund übermittelter Daten seine Geschwindigkeit so regulieren können, dass er quasi auf einer Grünen Welle durch die Stadt surft. Diese so genannte »Car-to-X-Kommunikation« soll den Verkehr flüssig halten, dabei Treibstoff sparen und den Schadstoffausstoß reduzieren. In einem Privat-Partnership-Project zwischen Audi und der Stadt Ingolstadt wurden seit 2006 mehrere Ampelanlagen mit einer neuartigen Kommunikationstechnik ausgerüstet und getestet.

Die Teilnehmer an dem Versuch konnten sich über ein Display im Fahrzeug über den Verkehrsfluss informieren. Ein blauer Pfeil zeigte die Fahrspur an, in der sich das Fahrzeug befand, ein ebenfalls blaues Viereck signalisierte die empfohlene Geschwindigkeit, um die nächste Ampel bei Grün ohne Halt zu überqueren. Ein rotes Viereck im Bordcomputer wiederum ließ den Fahrer wissen, in wie viel Sekunden eine rote Ampel in die Grünphase überwechselt.

Damit der Autofahrer nicht ständig mit seinem Blick und seiner Aufmerksamkeit zwischen Display und Straße hin und her pendeln musste, gab es die sogenannte »smart adaptiv cruise control« (smart ACC). Dahinter verbarg sich eine Art Tempomat, der die Geschwindigkeit automatisch an die Ampelschaltungen anpasst. Der Test-Autofahrer konnte sich so ohne eigenes Zutun durch den Ampelwald lotsen lassen.

Weltgrößter Feldversuch

»Wir wollten den Beweis antreten, dass intelligenter Verkehrsfluss möglich ist«, so 2010 Technik-Vorstand Michael Dick. Er verwies auf die ökologischen Vorteile. Im Stadtverkehr, der in Deutschland durch etwa 60 000 Ampelanlagen geregelt wird, produzieren die 50 Millionen Pkw während der Rotphasen etwa 15 Millionen Tonnen Kohlendioxid jährlich. Dies, so die Prognosen der Audi-Ingenieure, könne um 15 Prozent reduziert werden, was rund 900 Millionen Litern Benzin im Jahr entspräche.

Inzwischen ist das Projekt in den weltweit größten Feldversuch zur Kommunikation zwischen Auto und Straße eingemündet. Seit August erproben 120 Testfahrzeuge im Rhein-Main-Gebiet die Technologie, wie Fahrzeuge untereinander und mit Verkehrszentralen Daten austauschen können.

Allerdings: Wenn Fahrzeuge Informationen über Standort, Fahrverhalten und Fahrtrouten aussenden, sind dies auch sensible Daten über den Fahrzeugnutzer. Doch wem gehören welche Daten und wie sicher sind diese?

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