Lyon setzt sich in Szene

Das Fest des Lichtes lockt vier Millionen Menschen an

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
In Lyon werden Jahr für Jahr altehrwürdige Fassaden und Denkmäler mit Licht-Installationen neu in Szene gesetzt. Das Volksfest wird außerhalb Frankreichs vielerorts nachgeahmt.

Trotz Temperaturen unter Null, Schneefall und Wind hat das »Fest des Lichtes« am vergangenen Wochenende in Lyon rund vier Millionen Besucher angezogen. Dieses sehr beliebte Festival geht zurück auf eine Lichterprozession, mit der im Mittelalter die Einwohner der Stadt der Jungfrau Maria für das Ende einer Pest-Epidemie dankten. Seitdem zogen sie an jedem 8. Dezember, dem Maria gewidmeten Kalendertag, mit Kerzen durch die Stadt oder sie stellten Lichter in die Fenster. Dieser Brauch wurde 1989 von der Stadt aufgegriffen und zu einem Lichterfest ausgebaut. Das erstreckt sich immer über vier Tage um den 8. Dezember herum und erfreut sich zunehmender Beliebtheit.

An diesen Abenden sind Hunderte Fassaden von öffentlichen oder historischen Gebäuden und von Kirchen sowie Denkmäler und Brücken nicht nur farbig angestrahlt, sondern oft auch auf originelle Weise durch Lichtspiele und Musik in Szene gesetzt. Hier sind nicht nur erfahrene Lichttechniker und Beleuchter am Werk, sondern auch Maler, Grafiker, Architekten oder sogar Modedesigner und Tänzer, die mit Licht experimentieren. Für immer neue Effekte sorgt auch die Industrie, die hier ihre neu entwickelten Leuchtkörper oder Projektoren testen und vorstellen kann. Von ihr und anderen Sponsoren aus der Wirtschaft kommt die Hälfte der 2,5 Millionen Euro, die jedes Jahr für das Lichterfest benötigt werden. Die andere Hälfte der Kosten trägt die Stadt.

»Das ist gut angelegtes Geld«, ist Georges Kepenekian, der für Kultur zuständige stellvertretende Bürgermeister von Lyon, überzeugt. »Wir zählen Jahr für Jahr zum Lichterfest drei bis vier Millionen Besucher, die nicht nur aus Lyon selbst und der umliegenden Region, sondern aus ganz Frankreich, aus den Nachbarländern, ja aus ganz Europa und selbst aus Überseeländern kommen. Das zahlt sich aus in Form von Mehreinnahmen für den Handel und die lokale Wirtschaft.« An diesen Tagen sind alle Hotels in der Stadt und der Umgebung restlos ausgebucht. Viele Besucher wohnen traditionell bei Lyoner Familien. Die stellen auch oft Lichter in die Fenster oder hängen Lampions an die Balkone, um sich am Lichterfest zu beteiligen. »In diesem Jahr waren am Festival insgesamt 300 Künstler und Helfer mit rund 100 Lichtinstallationen an 63 Fassaden oder Orten in der Stadt beteiligt«, sagt Georges Kepenekian.

Besonders eindrucksvoll war die auf Häuserfassaden an einem Flussufer projizierte Videoschau, die in stilisierten Szenen die Geschichte der zweitgrößten Stadt Frankreichs nachzeichnete. Sehr originell war auch die zehn Minuten lange Schau an der Fassade der Kathedrale. Die erstrahlte in ungewohntem Licht, verwitterte und fiel in sich zusammen, erstand in veränderter Form neu, erschien als Blumenwiese oder als Kampfplatz herumspringender wilder Tiere, in die sich die Wasserspeier vom Dachrand verwandelt hatten.

In den Abendstunden waren jene Straßen des Stadtzentrums, in denen sich Lichtinstallationen befanden, für den Straßenverkehr gesperrt. Dann schoben sich dichte Menschenmassen durch sie. Der Zugang zu den Plätzen vor dem Rathaus oder der Kathedrale musste zeitweise gesperrt werden, um das Ende der jeweiligen Schau abzuwarten und den Platz erst wieder mit neuen Besuchermassen zu »fluten«, nachdem die vorherigen am anderen Ende weitergezogen waren. »Wir haben aber fast nie Probleme mit den Besuchern«, berichtet Georges Kepenekian stolz, »denn das Lichterfest findet meistens in einer sehr lockeren und heiteren Atmosphäre statt.«

Sogar relativ umweltverträglich ist das »Fest des Lichts«. So werden fast nur Strom sparende Leuchten und LED-Dioden eingesetzt. Die Stromkosten für die Lichtinstallationen werden dadurch kompensiert, dass gleichzeitig die normale Straßenbeleuchtung und die Scheinwerfer an öffentlichen Gebäuden abgeschaltet bleiben - schon um die Licht-Kunstwerke besser zur Geltung kommen zu lassen. In jedem Jahr kommen zum Lichterfest ausländische Offizielle nach Lyon, um Anregungen und Erfahrungen für ein eigenes derartiges Festival zu sammeln. So gibt es inzwischen beispielsweise schon »Lucci d'Artisti« in Turin, »Lighting Objects« in Tokio oder »Light in Jerusalem«. Ähnliche Feste sind zur Zeit in Hanoi, Havanna und Sankt-Petersburg in Vorbereitung.

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