Protest kann zu Einfluss führen

Robert Pohl von der Fanorganisation »Unsere Kurve« bezweifelt, dass die DFL-Maßnahmen Gewaltpotenzial abbauen

  • Lesedauer: 3 Min.
Robert Pohl ist einer der Sprecher der bundesweiten Fanorganisation »Unsere Kurve«, mit über 300 000 Mitgliedern die größte in Deutschland. Nach dem Beschluss der DFL-Sicherheitsmaßnahmen durch die Fußballklubs der 1. und 2. Bundesliga sprach Alexander Ludewig mit ihm über Gefahren und mögliche Folgen des Votums, Hoffnungen und Ängste der Fans und Möglichkeiten, Misstrauen abzubauen.

nd: Wie bewerten Sie den Beschluss der Sicherheitsmaßnahmen der Deustchen Fußball Liga (DFL) durch die Vereine?
Pohl: Grundsätzlich sind wir schon enttäuscht, da wir durch vielen Fanproteste der vergangenen Wochen die Hoffnung hatten, dass vielleicht noch ein anderer Kompromiss gefunden wird. Denn das DFL-Papier ist viel zu schnell und viel zu wenig mit den Fans auf den Weg gebracht worden. Aber dennoch ist auch eine positive Tendenz zu erkennen.

Was genau ist positiv?
Ganz allgemein, dass nach der abgelehnten ersten Fassung des DFL-Papiers die Vereine die Rückmeldungen aus ihren Fanszenen berücksichtigt haben. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Fans, wenn sie sich sachlich Gehör verschaffen, angehört und ihre Wünsche, wenn auch nicht zu hundert Prozent, berücksichtigt werden. Konkret positiv in dem Papier ist beispielsweise der festgeschriebene Dialog mit den Fans. Auch, das eine Schulung der Ordner verankert ist. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt, weil Fans immer wieder mal am Einlass mit Ordnern konfrontiert sind, die sich nicht fair verhalten und die dort für bestimmte Konfliktpotenziale sorgen.

Und was gefällt Ihnen weniger?
Besonders zwei Dinge sind aus Fansicht absolut kritisch zu bewerten. Zum einen die Vollkontrollen, die nicht konsequent ausgeschlossen worden sind. Zum anderen ist das die Reduzierung von Auswärtskontingenten für Gästefans. Da ist man einer Willkür ausgesetzt, wenn Vereine der Meinung sind, dass es besser ist, dass keine Gästefans im Stadion zu haben. Zwar müssen die Vereine das jetzt begründen, aber niemand weiß, wo die Hürden dafür liegen. Da ist der Frust, die Enttäuschung und die Wut der Fans ganz klar zu verstehen.

Welche Folgen könnten Frust und Wut der Fans haben?
Die Bandbreite von dem, was jetzt kommen kann, ist sehr groß. Das reicht durchaus bis zu einer möglichen Eskalation, indem mehr Pyrotechnik abgebrannt wird. Es ist auch gut möglich, dass sich die Hardliner in den Fankurven jetzt durchsetzen und mit ihren Methoden versuchen, Dinge zu verändern. Die definitiv bessere Option ist, dass man eben jetzt von Fanseite gestärkt aus dieser Geschichte hervorgeht. Gestärkt deswegen, weil man gesehen hat, dass Protest durchaus zu Einfluss führen kann. Unsere Kurve steht dafür, die Möglichkeiten, die jetzt den Fans offen stehen, zu nutzen. Also konsequent einfordern, was beschlossen wurde: der Dialog.

Die Verbände und Vereine waren erleichtert, die Politik zufrieden. Können die beschlossenen Maßnahmen Gewaltpotenzial tatsächlich abbauen?
Nüchtern betrachtet und spontan gesagt eher nicht. Erstens ist das größte Manko dieser ganzen Papier-Geschichte, dass die erste Fassung gar nicht öffentlich werden sollte. Dadurch schuf natürlich in den Fankurven einen riesengroßen Vertrauensverlust. Und das Misstrauen ist nach wie vor da. Und wichtig ist auch die Frage nach den Ursachen der Gewalt. Die wurden nicht beantwortet, nicht mal gestellt. Und ob es dann Sinn macht, irgendwelche Maßnahmen zu beschließen, ist schon arg zu bezweifeln. Darin besteht auch die Gefährlichkeit der Beschlüsse. Jetzt denken alle, dass alles besser wird. Wenn es aber in Zukunft wieder zu Vorfällen kommt, dann muss man natürlich davor schon Angst haben, dass die Maßnahmen noch mal verschärft werden.

Wie kann Misstrauen abgebaut werden?
Der zentrale Punkt ist, dass der Dialog ehrlich und ergebnisorientiert geführt wird und bald auch für die Fans wieder Dinge beschlossen werden. Wo sie wieder mehr Freiräume bekommen, wo in der Vergangenheit Verbote oder Einschränkungen ausgesprochen wurden. Ob nun bei Stadionverboten, Mitbestimmung im Verein oder sozialen Eintrittspreisen.

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