Wucherei im Weihnachtsgeschäft

Polens »Parabanken« feiern Feste

  • Julian Bartosz, Wroclaw
  • Lesedauer: 3 Min.
Im blühenden polnischen Weihnachtsgeschäft geht es insbesondere einer Branche geradezu glänzend: den Schattenbanken.

In Polen nennt man sie Parabanken: Unternehmen, die ohne entsprechende Genehmigung der Finanzaufsicht Geld- und Bankgeschäfte betreiben. Wie viele es davon gibt, ist niemandem genau bekannt. Experten des offiziellen Geldgeschäfts geben lediglich zu, dass die Branche sich dynamisch, aber völlig unkontrolliert entwickelt. Zu den heimischen Parabanken sind in der letzten Zeit solche aus den USA, Australien, Großbritannien und anderen EU-Staaten gekommen.

Nach Angaben des Büros für Kreditinformationen (BIK) sollen zwar nur etwa 2,5 Milliarden Zloty (gut 600 Millionen Euro) kurzfristig an »kreditunwürdige« Personen verliehen worden sein, was im Vergleich mit den von »normalen« Banken ausgereichten Krediten in Höhe von 140 Milliarden eine geringe Summe sei, doch sei die Zahl der bedürftigen Kreditnehmer - 1,5 bis 1,8 Millionen - beträchtlich. Tatsächlich soll diese Zahl noch viel größer sein.

Um die polnische Weihnachtstradition gebührend pflegen zu können, muss eine vierköpfige Familie nach Medienangaben Einkäufe für etwa 1600 Zloty tätigen. Zwölf Gänge am Heiligen Abend und der Festschmaus, dazu Geschenke unterm Christbaum - solcher »Standard« ist für Millionen Polen aber unerreichbar.

Ein nicht geringer Teil sieht daher im ziemlich aufdringlichen Angebot der »Schattenbanken« reale Abhilfe. 500 Zloty? Bitte sehr, sofort! Auch 1000 bringt man dem Bedürftigen nach Hause. Personalausweis genügt, nach Einkommen wird nicht gefragt. Auskünfte über Kreditwürdigkeit sind unnötig. Abgerechnet wird später: Aus 500 Zloty wird nach zwei Wochen das Doppelte.

»Polityka« rechnete neulich mehrere Fälle nach: Bis zu 31 000 Prozent Zinsen und »zusätzliche Kosten«, darunter für etliche Versicherungen, Garantien usw., fielen nach Jahresfrist an. Dies ist allerdings nur ein angenommener Fall, denn praktisch geht es meist um »chwilowki« - sehr kurzfristige Anleihen. Normalerweise borgt man sich Geld für eine Woche und geht nicht selten zum nächsten »Wohltäter«, um die erste Summe abzahlen zu können, und so weiter ins Dickicht nie endender Abhängigkeit. Bis der Gerichtsvollzieher die Rechte der Schattenbank(en) durch die Zwangsräumung der Wohnung exekutiert.

Laut Gesetz dürfen sich im Kreditwesen Zinsen und Zusatzkosten nur auf das Vierfache des Lombardsatzes der Nationalbank (derzeit 5,75 Prozent) belaufen. Für die Kunden der Parabanken gilt das nicht. Sie stehen von vornherein auf verlorenem Posten. Und sie wissen das. Der Grund, warum sie trotzdem ein großes Risiko eingehen, ist ebenso bekannt. Normale Banken sind für arbeitslose Menschen, für Beschäftigte mit »Schmutzverträgen« und für Sozialhilfeempfänger kaum zugänglich. Die staatliche Finanzaufsicht, der die normalen Banken unterliegen, legte ihnen kürzlich nahe, die Konditionen für Kreditanwärter etwas zu lockern. Gleichzeitig begann sie eine »Mahnkampagne«: In Finanznot geraten, sollten Bedürftige doch genauer aufpassen, was sie da unterschreiben, um an Geld zu kommen. Ja, der Staat kümmert sich um seine Bürger.

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